14. November 2010

Wer ist eigentlich Anna?

Die Hüllen fallen... und sie zeigt auch ihr Gesicht...

Sie ist es:



Sie fühlt diese Musik:

Sophie Hunger "Citylights forever" (aus dem Album "1983")


(Liebe Anechka von "Cupcakes and Strawberries", ich danke dir so sehr für dieses musikalische Gefühlserlebnis!)



Sie schrieb diese neuen November-Gedichte:

Ph. F.

Fieber
Ich gebe einen Löffel Salz
Anstatt des Süßstoffs zu dem Kaffee.
Mein coffeiner Gott, weck mich aus dieser Trance,
Weis gleich den Weg aus dem urtristen Wahnsinn.

Der Morgen beißt die Wangen violett.
Er färbt den Tod,
Er bleicht die Felder leise.
Wenn jener Zug mich traurig wegfährt
Oder umbringt, umwirbt, umsorget, streichelt,
Zerfalle ich zum Staub meiner Selbst,
Wie ein benutztes, bleiches Stückchen Kreide.

04. November 2010




Nachts
Hast du heut Nacht von mir geträumt,
Hat meine Wärme dich belogen.
Hat Kater Mond dich aufgesogen,
Als ich die Milch des Sternenwegs verstreut.
04. November 2010



Die Blicke

Mit deinem Blick erkundest ihren Busen sanft.
Du überlegtest, schmecktest fast im Rohen:
Wie sieht dies ohne schwarze Robe aus,
Ist sie geschmeidig und genüsslich satt?
Bringt ihre Unschuld dich zum Schmoren?
Bloß das Berühren war für dich Tabu,
Denn zum Umarmen waren Andere dir fügig.
Sie soll die Kälte deine spüren und den Frost,
Soll nie erfahren deiner Küsse Süße.
Soll sie nicht sehen, dass du ihren Schoss
Geheim, als sie aufstand, auch streiftest,
Dein Blick zog ihre Strümpfe aus
Und bohrte bis in ihrer M--e Franzen.

10. November 2010




Abschied

Du schicktest mich zum Psychiater,
Er soll mich heilen, hast du mir gesagt.
Hast nie gedacht, dass jene Wunden tiefen,
Die du mir schenktest, hielten ewig stand.
Man kann Gefühle nicht wegheilen,
Der Schmerz deines Verstoßens tropft auf Sand.
Wenn du die Folter deiner Worte streichen würdest,
Wäre die Hälfte meiner Qualen gleich erspart.

Bleibe mit ihm, hast du befohlen,
Wieso kannst du es nicht, hast du gefragt.
Warum nimmst du nicht das Geschenk des Lebens
Und heiratest nicht den, der auf dich wart'.
Du schickst mich zu dem Ungeliebten,
Du möchtest, dass mein Unglück ewig wahrt. -
Entfernt hast du dich von mir, liebster Junge,
Und wirfst mich in das tiefe Wasser rein.
Bist mit dem Boot weiter gefahren,
Bist weg von mir, stumm, blind und taub -
Du wusstest, dass ich gar nicht schwimmen konnte,
Dass ich ertrinke, mit den Lungen voller Sand.

10. November 2010


Ohne die Zartheit Scriabins allerdings gäbe es die Autorin dieser Zeilen auch nicht:
Vladimir Sofronitsky spielt Scriabin, Impromptu Op.14 Nr.2 (Aufnahme: 1948)

Nach vier Jahren der literarischen Blog-Existenz und einer besonders kreativen Nacht mit vielen Beiträgen wie zu den Anfangszeiten lässt sich Folgendes denken und schreiben: Es war ein verrücktes, ein unerwartetes Jahr 2010. Das Staatsexamen wurde abgelegt, nächstes Jahr gibt es die allererste Lesung und sie könnte nie glauben, dass das alles ihr auf einmal zuteil sein würde, nachdem nur wenig Menschen an sie glaubten, sie verließen oder für nicht existent betrachteten; nachdem aus der so wichtigen Abriviatur FhP endlich PhF wurde, nachdem sie sich selbst von der Kehrseite des Spiegels kennenlernte...

Der sexuelle Liberalismus

Ein weiteres Zitat aus "Ausweitung der Kampfzone" von Michel Houellebecq:

"Der Sex, sagte ich mir, stellt in unserer Gesellschaft eindeutig ein zweites Differenzierungssystem dar, das vom Geld völlig unabhängig ist; und es funktioniert auf mindestens ebenso erbarmungslose Weise. Auch die Wirkungen dieser beiden Systeme sind genau gleichartig. Wie der Wirtschaftsliberalismus – und aus analogen Gründen – erzeugt der sexuelle Liberalismus Phänomene absoluter Pauperisierung. Manche haben täglich Geschlechtsverkehr; andere fünf oder sechs Mail in ihrem Leben, oder überhaupt nie. Manche treiben es mit hundert Frauen, andere mit keiner. Das nennt man das "Marktgesetz". In einem Wirtschaftssystem, in dem Entlassungen verboten sind, findet ein jeder recht oder schlecht seinen Platz. In einem sexuellen System, in dem Ehebruch verboten ist, findet jeder recht oder schlecht seinen Bettgenossen. In einem völlig liberalen Wirtschaftssystem häufen einige wenige beträchtliche Reichtümer an; andere verkommen in der Arbeitslosigkeit und im Elend. In einem völlig liberalen Sexualsystem haben einige ein abwechslungsreiches und erregendes Sexualleben; andere sind auf Masturbation und Einsamkeit beschränkt. Der Wirtschaftsliberalismus ist die erweiterte Kampfzone, das heißt, er gilt für alle Altersstufen und Gesellschaftsklassen. Ebenso bedeutet der sexuelle Liberalismus die Ausweitung der Kampfzone, ihre Ausdehnung auf alle Altersstufen und Gesellschaftsklassen. In wirtschaftlicher Hinsicht gehört Raphael Tisserand zum Lager der Sieger; in sexueller Hinsicht zu den Verlierern. Manche gewinnen auf beiden Ebenen; andere verlieren auf beiden. Die Unternehmen kämpfen um wenige Jungakademiker; die Frauen kämpfen um wenige junge Männer; die Männer kämpfen um einige wenige Frauen. Das Maß an Verwirrung und Aufregung ist beträchtlich." Quelle

Erinnerungen an Körper

Eine gute Freundin empfahl mir dieses Buch und ich verschluckte einen Teil davon direkt im Buchladen. Es war in Berlin..., es war im Sommer..., im Sommer, den ich nie wieder vergessen werde...


Ein paar kleine Ausschnitte aus Sandor Marais "Die vier Jahreszeiten":

Mit dem Geheimnis leben
"Mit einem Geheimnis leben wie Menschen vergangener Zeiten, die alles erzählten, niederschrieben oder gestanden, nur das eine nicht, das in ihrem Herzen brannte; leben wie einst die Dichter oder die Gardeoffiziere, die sich wegen eines Missverständnisses duellierten, diesen einen Namen aber nicht einmal auf der Folterbank preisgaben - und Folterbänke gibt es viele! -, leben mit einem Siegel auf Herz und Mund, zum Himmel aufschauen, über alles reden, nur über das eine schweigen, bis in den Tod. Schweigen, wie Puschkin es tat. Ein Gedicht, einen Roman darüber schreiben? Ja. Sich der Psychoanalyse anvertrauen? Niemals."


Bitte
"Liebe mich so ganz nebenbei und sanft, auch ein wenig zerstreut, gerade so, wie man Atem holt oder wie der Mensch an einem Dienstag, an dem "überhaupt nichts geschieht", so lebt. Ich schätze es nicht mehr, geliebt zu werden wie in der Oper, im zweiten Akt, wenn sämtliche Hörner schmettern, die Scheinwerfer in allen Farben des Regenbogens strahlen und die Protagonisten pro Abend tausend Pengo für einen Auftritt kassieren. Liebe mich wie eine ganz wichtige Privatangelegenheit, ohne besondere Aufmerksamkeit. Dann werde ich, vielleicht, auch aufmerksam sein."


Zärtlichkeit
"Seit zwei Tagen fallen die Blätter. Die Bäume langen mit welken Armen herab und streicheln den fröstelnden Boden."


Die Körper
"Erinnerungen an Körper leben in uns und leuchten. Die Erinnerung an Körper, die wir kannten, Rohstoff der Liebe, des Instinkts, aus denen Verlangen und Fantasie für Augenblicke Meisterwerke geformt haben. Ich erinnere mich an stolze, fröhliche, gleichgültige, an eiskalte und glühende, kindliche und einfältige, an erstaunlich selbstvergessene, bescheidene und dienstbeflissene, an nach Champagner schmeckende, elektrisch geladene, an ruhige und überhebliche, elfenbeinfarbige (...), mispelbraune, nach Zimt riechende, zitternde und hochmütige Körper. Ich erinnere mich an Gestalten, die, wie das Meer aus dem Nebel, aus ihren abgeworfenen schweren Kleiderhüllen hervortraten. Ich erinnere mich an Körper, die in der Offenbarung der Nacktheit gänsehautüberzogen zu zittern begannen(...). In all dem ist etwas Verbotenes und Erhebendes, etwas Göttliches und zugleich Fleischbankartiges, etwas vom Operationssaal und etwas von der Seligkeit.(...)"

Bild: von S.

Please, be weaker

Robert Rozhdestvensky (1932-1994)



Übersetzt aus dem Russischen von Olga:

Please, be
weaker (Im Original)
Be,
please.
And then will I gift you
a miracle,
no problem.
And then I will grow tall --
grow big,
will become special.
From a burning house I will carry
you,
still sleepy.
I will dare to do everything unknown,
everything reckless --
will throw myself into the sea,
dense,
sinister,
and will rescue you!..
My heart will demand this of me,
my heart
will demand this...
But in fact you are
stronger than me,
stronger
and more secure!
You yourself
are ready to rescue others
from a deep sadness,
you are not afraid of
the swish of a blizzard,
or of a crackling fire.
You won't lose your way,
you won't drown,
malice
you won't amass.
You won't cry
and you won't moan,
if you wish not to.
You will become gentle
and you will become flighty,
if you wish it...
For me to be with you,
so secure,
is difficult --
very.
Even if in pretense,
even if for a moment --
I'm asking you,
timidly, --
help me
to believe in myself,
become weaker.

1962.



Here's one more poem, just to show that the speaker is earnest in his desires. Sixteen years later, it seems that he's found the kind of relationship he was looking for:

"Resound, Love!"

I love you, my prize.
I love you, my dawn.
If you don't believe me, try me, --
I will do it all!

Mountains and seas I will cross for you,
The rainbow in the steppe I will light for you,
The mystery of the blue stars I will open for you,
Resound in me, my love!
I sing about how I love you,
I think about how I love you,
I know only one thing, that I love you,
Resound in me, my love!

My life has changed its course,
There had not been such spacious days,
I see you and I become a hundred times
Taller and stronger!

I live only by your smile,
Only by your breath I live.
If this is a dream, then let this dream
Become reality!

Mountains and seas I will cross for you,
The rainbow in the steppe I will light for you,
The mystery of the blue stars I will open for you,
Resound in me, my love!
I sing about how I love you,
I think about how I love you,
I know only one thing, that I love you,
Resound in me, my love!

1978.

Ogromnoe spasibo, Olga, za perevod!


Bild unter CC-Lizenz: Quelle

Hannah Arendt über die Liebe - Teil 2


“One has to ask all the old questions”. Hannah Arendt über Liebe und Freundschaft:

“Solange man glaubt, dass der Mensch eine Potentialität ist, und dann noch, dass alle Menschen essentiell die gleichen Möglichkeiten haben – und darauf beruhen alle unsere moralischen Urteile -, kann man noch nicht einmal ahnen, was Liebe ist. In der Liebe tritt einem gerade nicht eine ‘potentia’ entgegen, sondern eine Wirklichkeit, mit der wir uns nur noch ohne Furcht und Hoffnung abzufinden haben.” Juli 1950; S. 14.

Pluralität. Ganz voneinander zu scheiden ist 1. die Tatsache der Pluralität der Menschen und Völker und ihre grundsätzliche Ungleichheit – ohne diese reine Vielheit gäbe es keine Politik, ohne diese grundsätzliche Ungleichheit bedürfte es keiner Gesetze; und 2. die Tatsache, dass ‘Liebe die Liebe braucht’, d.h. dass kein Mensch allein existieren kann, ausgedrückt in der Zweigeschlechtlichkeit. Hier sucht (oder bedarf) der Eine des Zweiten (und es entspringt der Dritte); im Falle der Vielheit, umgekehrt, hat der Eine immer schon zu rechnen mit und ist angewiesen auf – nicht einen Zweiten - , sondern Andere. Im Falle der Liebe sucht er das ihm Gemässe, im Falle der Vielheit hat er zu rechnen mit den ‘Ungemässen’, Fremden, Verschiedenen. Die fundamentale Differenz zwischen dem Brauchen, das aus der Zweigeschlechtlichkeit entspringt oder wenigstens in ihr vorgezeichnet ist, und dem Aufeinanderangewiesensein, das in der Vielheit liegt.
Wo immer (und das heisst überall in der abendländischen Tradition) man die Familie als die Urform der menschlichen politischen Gemeinschaft setzt, hat man diese beiden Sachen identifiziert. Und daraus entspringt dann der ganze Höllenspektakel – d.h. die gleichzeitige Perversion der politischen Verhältnisse und der ‘Liebes’ – und Familienverhältnisse.” Oktober 1950; S. 38

“Liebe und Ehe
Liebe ist ein Ereignis, aus dem eine Geschichte werden kann oder ein Geschick.
Die Ehe als Institution der Gesellschaft zerreibt dies Ereignis, wie alle Institutionen die Ereignisse aufzehren, auf denen sie gegründet waren. Institutionen, die sich Ereignisse gründen, halten der Zeit so lange stand, als die Ereignisse nicht völlig aufgezehrt sind. Vor solchem Verzehrt-werden sind nur Institutionen sicher, die auf Gesetzen basieren. Solange die Ehe, immer zweideutig in dieser Hinsicht, als unscheidbar galt, war sie doch wesentlich auf dem Gesetz, nicht auf dem Ereignis der Liebe gegründet und damit eine echte Institution.
Inzwischen ist die Ehe zur Institution der Liebe geworden, und als solche ist sie noch um ein weniges hinfälliger als die meisten Institutionen der Zeit. Die Liebe wiederum ist seit ihrer Institutionalisierung ganz und gar heimat- und schutzlos geworden.
Dagegen protestieren Männer wie Frauen, jeder auf seine Weise. Beide versuchen, die zunehmende Flüchtigkeit der Liebe, ihre zunehmende Substanzlosigkeit zu verhindern. Die Frauen, indem sie aus der Liebe, die ein Ereignis ist, ein Gefühl machen, was nicht nur die Liebe degradiert, weil ein Göttliches zu einem Menschlichen gemacht wird, sondern auch alle Gefühle degradiert, weil sie offenbar dem Feuer der Liebe, an dem sie gemessen werden, nicht standhalten. Der Irrtum kommt daher, dass die Liebe sich im Herzen der Menschen einnisten; das menschliche Herz ist die Wohnung, aber nicht die Heimat! der Liebe; das Missverständnis ist zu glauben, die Liebe entspringe dem Herzen und sei daher, mit einem weiteren Missverständnis, vom Herzen wie ein Gefühl hervorgebracht. [...] Zur Abgrenzung: Gefühle habe ich; die Liebe hat mich. Freundschaft ist wesensmässig abhängig von ihrer Dauer – eine zwei Wochen alte Freundschaft existiert nicht; die Liebe ist immer ein ‘coup de foudre’.” Dezember 1950; S. 49-51.

“(Dass die Liebe von der Verlassenheit erlöst, ist ein Vorurteil. Der wirklich Verlassene kann nicht lieben, so wenig wie der, der völlig in der gemeinsamen Welt sich aufgegeben hat. Dieser Zusammenhang von Verlassenheit und Verlorensein in der gemeinsamen Welt ist das eigentlich amerikanische Phänomen. Daher die Unfähigkeit der Amerikaner zu lieben.)” Juni 1951; S. 214.

“Ad Pluralität: Die Pluralität, die sich am reinsten in der ins Unendliche sich fortsetzenden und aus sich selbst sich erzeugenden Zahlenreihe darstellt, ist ursprünglich nicht in der Vielheit der Dinge, sondern in der Bedürftigkeit des Menschen, der als Einer geboren den Zweiten braucht, um sich des Fortgangs in den Dritten, Vierten und so fort zu sichern. […] Was aber hier, im Ursprung der Zeugung, gezählt wird, beziehungsweise sich zählt, ist niemals das völlig Disparate, dem die Zahl zu einer abstrakten Einheit verhülfe […], sondern das wesensmässig ‘Selbe’ (wie Heidegger sagt, im Gegensatz zu dem bloss Gleichen), das sich in biblischer Sprache als ‘im Ebenbild’, […] ausspricht. Diese Ebenbildlichkeit auf die Schöpfung des Menschen durch Gott zu beziehen, ist der tiefste und darum verderblichste Anthropomorphismus in dem abendländischen Gottesgedanken. In unserem Ebenbilde erzeugen wir unsere Kinder - nicht das uns ‘Gleiche’, aber das Selbe, was wir sind. Gott aber ist gerade das absolut Nicht-‘Selbe’. Durch diesen Anthropomorphismus kam der verderbliche Unsinn von dem Menschen in die Metaphysik.” Juli 1952; S. 218f.

“Experimental Notebook of a Political Scientist: To establish a science of politics one needs first to consider all philosophical statements on Man under the assumption that men, and not Man, inhabit the earth. The establishment of political science demands a philosophy for which men exist only in the plural. Its field is human plurality. Its religious source is the second creationmyth – not Adam and rib, but: Male and female created He them. In this realm of plurality which is the political realm, one has to ask all the old questions – what is love, what is friendship, what is solitude, what is acting, thinking, etc., but not the one question of philosophy: Who is Man, nor the Was kann ich wissen, was darf ich hoffen, was soll ich tun?” Januar 1953; S. 295.

“Der Akkusativ der Gewalt wie der Liebe zerstört das Zwischen, vernichtet oder verbrennt es, macht den Andern schutzlos, beraubt sich selbst des Schutzes. Dagegen steht der Dativ des Sagens und Sprechens, der das Zwischen bestätigt, im Zwischen sich bewegt. Dann gibt es noch den Akkusativ des singenden Gedichts, das das Besungene, ohne irgend etwas zu bestätigen, aus dem Zwischen und seinen Relationen löst und erlöst. Wenn die Dichtung, und nicht die Philosophie, verabsolutiert, ist Rettung da.” August 1953; S. 428.

“Wir verstehen einander gewöhnlich nur in einem Zwischen, durch die Welt und um der Welt willen. Wenn wir einander direkt, unvermittelt, ohne Bezug auf ein zwischen uns liegendes Gemeinsames verstehen, lieben wir.” August 1953; S. 428."
Bild: Quelle

Ich bin so müd von diesem bißchen Leben

"Tat dir das weh? Hat uns der Herbst verändert?
Ja, unsre Träume welken mit der Zeit,
Und man begnügt sich mit der Wirklichkeit,
Wenn man ganz ehrlich durch die Jahre schlendert."

Mascha Kaleko liest ihr eigenes Gedicht (1963):

Komm, laß die Tür mich leise nach dir schließen.
Der Tag war schwer. Mag er nun draußen stehn.
Laß nur den Regen ruhig weiterfließen,
Wir sind zu zwein. Was kann uns schon geschehn?

Laß andre schwärmen von dem Glanz der Sterne.
Mich freut schon, wie das Licht der Lampe fällt.
- Glaubst du es endlich nun, daß keine Ferne
Versprochnes hält?

Tat dir das weh? Hat uns der Herbst verändert?
Ja, unsre Träume welken mit der Zeit,
Und man begnügt sich mit der Wirklichkeit,
Wenn man ganz ehrlich durch die Jahre schlendert.

... Wie still! Der Wecker tickt nur, wenn wir schweigen.
Der einzge Baum vor unserm Fenster rauscht.
Und wenn man in den Hof hinunterlauscht,
Klingt's fern, als würde einer Chopin geigen.

Nein. Dummes Zeug! Es fiel mir nur so ein.
(Kein '«Rückfall», wie du meinst, in die Romantik!)
Das wird gewiß im Grandhotel Atlantic
Von nebenan das Kitsch-Orchester sein.

Ach, liefst du nur nicht mit nervösen Schritten
Von Wand zu Wand. Und ließest mich allein.
Wenn sich die Zwei in mir nicht wieder stritten,
Würd ich jetzt schweigen und dir nahe sein.

So geht der Abend wieder mal daneben.
Ein Kind darf sagen: «Wills nie wieder tun!»
Ich bin so müd von diesem bißchen Leben
Und habe nicht die Ruhe, auszuruhn ...

Quelle

Ilgais Ceļš Kāpās - Long Road in the Dunes

Долгая дорога в дюнах

Es war mein Lieblingsfilm von Kindheit an, obwohl ich die ganze Tragik und die Schwere der Geschichte erst später als ein erwachsener Mensch verstehen konnte. Gezeigt werden die gewaltvolle Sowjetisierung des Baltikums am Beispiel Lettlands, die Einnahme des Landes durch die Deutschen während des 2. Weltkrieges; die nachfolgende Kollaboration der Letten mit den Deutschen und auch ihre Deportation nach dem Krieg durch die Sowjets. Auch das Schicksal der jüdischen lettischen Bevölkerung wird sehr einfühlsam und symbolhaft in einem Moment dargestellt, vor allem, da der Spielfilm im Jahre 1980 entstand und der Holocaust noch kein Thema im sowjetischen Kino sein durfte.

Mittendrin eine unglaubliche und tragische lettische Liebesgeschichte von Artur (Juozas Kisielius) und Marta (Lilita Ozoliņa), die durch die beiden Diktaturen und das Schicksal getrennt wurden, vieles erleiden sollten und viele Jahrzehnte dafür brauchten, um wieder einander zu finden. Begleitet wurde das Ganze von der Musik des berühmten sowjetisch-lettischen Komponisten Raimond Pauls:



Auch als Eistanz hat man den Film und die Musik adoptiert: Video

Das eigene Herz mit Dostojewskij klopfen hören


Von der Existenz dieser einzigartigen Frau erfuhr ich erst, als es zu Ende war. Am 07. November starb im Alter von 87 Jahren Swetlana Geier - die Übersetzerin der fünf bedeutendsten Werke Dostojewskijs ins Deutsche. Mit 65 Jahren fing sie ihre Meilensteinarbeit an. Erst Anfang dieses Jahres kam ins Kino eine sehr feinfühlige Dokumentation von Vadim Jendreykos über sie und ihre Arbeit: "Die Frau mit den fünf Elefanten".
"Auf die Frage, ob sie ihr Leben selbst als filmtauglich erachte, sagte Geier dem SPIEGEL: "Ich habe bestimmt 40 Jahre meines Lebens die Unsichtbarkeit geübt, das ist für mich die Rolle meines Lebens." weiter lesen
Ein wundervoller Trailer des Films:


Einen weiteren und sehr interessanten Einblick in den Film erfährt man online in dieser ZDF-Sendung.


Sie war die Frau mit den fünf Elefanten

"Eine zarte Frau mit einem feinverästelten Gesicht, das wunderbar lächeln konnte. Klein, gebeugt ging sie. Sie hatte schließlich schwere, schwerwiegende Bücher von einer Sprache in die andere getragen. Beinahe ein Leben lang. Fünf Elefanten vor allem hat Svetlana Geier getragen. Zwei Bände "Brüder Karamasow", "Verbrechen und Strafe", "Ein grüner Junge", "Böse Geister". Svetlana Geier hat sie ins Deutsche getragen, ihnen neue Titel gegeben ("Schuld und Sühne" beispielsweise wurde zu "Verbrechen und Strafe"), sie im Deutschen neu erfunden (aber das hätte sie bereits als Anmaßung empfunden). Ungestraft, so hat sie einmal gesagt, übersetzt man das nicht.
(...)
Fünfzehn war Svetlana, als er 1938 während Stalins Säuberungen verhaftet und Monate lang gefoltert wurde. Er blieb noch ein halbes Jahr am Leben, nachdem er als einer der wenigen frei gekommen war.
Svetlanas Mutter ließ sie Deutsch lernen. Die Sprache wurde ihre Aussteuer, ihr Überlebensmittel. Am Tag, als die Deutschen die Sowjetunion überfielen, absolvierte sie ihre Abitursprüfungen. Die Deutschen konnten kaum schlimmer als Stalin sein. Dachten viele. Bis die Juden von Kiew in langen Reihen durch die Schlucht von Babij Jar geführt wurden. Svetlanas beste Freundin war unter ihnen. Die Schüsse aus der Schlucht konnte man bis in die Stadt hören. Svetlana Geier hatte sie noch im hohen Alter im Ohr: "Das hört nie auf. Das ist nie Vergangenheit geworden."
Eines Tages stand ein deutscher General vor der Tür. Er hatte sich verfahren. Svetlana erklärte ihm den Weg, auf Deutsch. Er suchte eine Haushälterin. Ein gebildeter Mann. Ein gebildeter Mann. Er nahm Svetlanas Mutter als Haushälterin, förderte Svetlana, verschaffte ihr ein Stipendium. Dann mussten die Deutschen fliehen, Svetlana und ihre Mutter auch. Als Angehörige eines politischen Gefangenen und Übersetzerin für den Feind hätten sie nicht lange überlebt. Gegen heftige Widerstände erhielt sie einen deutschen Fremdenpass. Svetlana Geier, die Schüsse von Babij Jar noch im Ohr, hatte Respekt vor einem Land, in dem jemand wie sie, den niemand retten musste, gerettet wurde. Übersetzen, hat sie gesagt, sei eine Möglichkeit, ihre Schulden gegenüber Deutschland abzuzahlen. (...)" weiter lesen


Das eigene Herz mit Dostojewskij klopfen hören

"In einem Alter, in dem die meisten Menschen sich nach der Sonne sehnen, hat sie erst richtig begonnen. Sie war 65, als sie den Vertrag für die Neuübersetzung der großen Romane Dostojewskijs unterzeichnete, aber wer ihre blauen Augen je hat blitzen sehen, zweifelte keine Sekunde daran, dass sie diesen sich selbst gesetzten Auftrag erfüllen würde. In ihrer Sicht der russischen Literatur hatte sich von Puschkin aus der Weg gegabelt: auf der einen Seite ging es über Tolstoj zu einer realistischen dokumentarischen Literatur, die andere führte über Gogol und Dostojewskij zu einer Literatur der Fragen und der Poesie. Und ihr gehörte ihr Herz: sie wollte es mit Dostojewskij klopfen hören, mit Puschkin singen und mit Bunin klagen. Und sie nahm ihre Autoren beim Wort: aus 'Schuld und Sühne' wurde 'Verbrechen und Strafe', aus den 'Dämonen' 'Böse Geister'. War sie einmal zufrieden, gab es Rinderbraten in russischer Soße und als Dessert den Novalis-Satz, am Ende sei doch alle Poesie Übersetzung.(...)" weiter lesen

Ein weiteres Portrait, als sie ihren letzten Elefanten beendet hatte: Ein grüner Junge" ist für Swetlana Geier der modernste Dostojewski (2007)

Heaven can wait

Charlotte Gainsbourg "Heaven Can Wait" (aus dem Album "IRM")



Charlotte Gainsbourg "Heaven Can Wait"

She's sliding, she's sliding
down to the dregs of the world
She's fighting, she's fighting
the urge to make sand of pearls

Heaven can wait
and hell's too far to go
somewhere between what you need
and what you know
And they are trying to drive
the escalator into the ground

She's hiding, she's hiding
on a battleship of baggage and bones
There's thunder, there's lightning
and an avalanche of faces you know.


Heaven can wait
and hell's too far to go
somewhere between what you need
and what you know
And they are trying to drive
the escalator into the ground

And you left your credentials
in a Greyhound station
with a first aid kit and a flashlight
going to a desert unknown

Heaven can wait
and hell's too far to go
somewhere between what you need
and you know
And they are trying to drive
the escalator into the ground