30. Januar 2008

Liebster Fremder

Seit 2 Wochen bereits läuft in den Kinos der Film "P.S. I Love You" und ich habe es verpasst.


"Eine ganz große Liebe: So wollten Holly (Hilary Swank) und Gerry (Gerard Butler) den Rest ihres Lebens miteinander verbringen. Bis Gerry plötzlich an einem Gehirntumor stirbt - und eine erst 29-jährige, völlig verzweifelte Witwe zurücklässt, die nicht mehr leben möchte. Bis sie eines Tages einen Brief erhält, verfasst in Gerrys Handschrift - der erste von insgesamt zwölf, die er noch vor seinem Tod schrieb. In jedem stellt er Holly eine Aufgabe, unterzeichnet mit "P.S: Ich liebe Dich".

Millionen Begeisterte, die den gleichnamigen romantischen Bestseller von Cecilia Ahern verschlangen, werden in der zweiten Zusammenarbeit von Hilary Swank und Richard LaGravenese nach "Freedom Writers" bei einem intensiven Lebewohl anrührende Wärme ums Herz verspüren." Link
Eine junge Autorin der Welt-Kolumne "Heartcore" Johanna Merhof liess sich von dem Film inspirieren und entschloss sich dazu, es umzukehren und einen Brief an jemanden aus der Zukunft zu schreiben. An jemanden, den sie noch nie gesehen und nie getroffen hat, aber der ihr irgendwann und irgendwo in der weiten Welt begegnen wird. So schön, dass es an mich selbst erinnert hat.
"Liebster Fremder,
wir kennen uns noch nicht, sind uns aller Wahrscheinlichkeit nach noch nie begegnet. Ich weiß nicht, ob du zu diesem Zeitpunkt in Berlin lebst oder in Dublin, in Helsinki oder in Poughkeepsie. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass wir uns über den Weg laufen werden, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Mein Leben ohne dich ist meistens schön. Ich glaube nicht an die Theorie, dass sich zwei Menschen vervollständigen sollten. Ich glaube daran, dass es im Leben zuallererst darauf ankommt, mit sich selbst glücklich zu sein. Ich hoffe, dass es dir gerade gut geht, du heute schon mehr als einmal gelächelt hast. Dass du jeden Tag Musik hörst und zwar Lieder, die dich anrühren oder zum Tanzen verleiten. Ich wette, das ist deine Lebenshaltung: Die Welt mit einem Luftsprung.
Ich empfehle dir, mal wieder ins Kino zu gehen: zum Beispiel in den grandiosen Film „Once“. Da du wahrscheinlich sehr geschmackssicher bist, traue ich mir nicht, dir den Filmtitel zu nennen, der mich zu diesem Brief inspiriert hat. Egal, wahrscheinlich pfeifst du eh darauf, was andere von dir halten.
Wenn du in Berlin bist, solltest du unbedingt im „Goldenen Hahn“ speisen, weniger wegen des Essens, das ist ok, viel mehr wegen der grandiosen Platten, die aufgelegt werden. Du solltest dich in der Kirk Bar betrinken und in Kims Karaoke Bar deine Schüchternheit ablegen und singen. Und egal, ob du lieber Kohle oder Kunst machst: Ich hoffe, dass alles, was du anfasst, deine Handschrift trägt. Denn jeder Mensch ist ein Unikat. Ich bin mir sicher, du bist ein ganz besonders Schönes.
Ich freue mich darauf, dich kennen zu lernen.
Deine Johanna
P.S.: Ich liebe dich." mehr


16. Januar 2008

Verquickt

Eine kleine Verquickung meiner vorherigen Beiträge. Gestern sah ich mir "Meine Nächte sind schöner als deine Tage" an, und es hat mich fasziniert. Trotz der Fülle an Wörtern blieb ich selbst sprachlos. Es war schön, dass die Momente der Wortfindung, jene Wortspiele und eine Klammerung an das Leben und die Liebe durch die Worte, auch in den sinnlichsten Momenten in der deutschen Fassung in der Origianlsprache: Französisch geblieben waren.

Das Lied "The Story" von Norah Jones aus dem Film "My Blueberry Nights"



Für diejenigen, die etwas Hilfe in Sachen Liebeskummer und Co. brauchen, sind hier außerdem ein paar lustige Beiträge nachzulesen: http://www.welt.de/vermischtes/heartcore/

15. Januar 2008

Noch mehr Sehnsucht

Norah Jones (Elizabeth) und Jude Law (Jeremy), Natalie Portman, Rachel Weisz ab dem 24.01.2008 im Kino

"My Blueberry Nights" - Trailer


"Doch Schauspielunterricht nehmen, das durfte die Sängerin nicht. Wong Kar-Wai ging es gerade um ihre Natürlichkeit und Unbefangenheit. In "My Blueberry Nights" durchlebt sie als Elizabeth den Schmerz, den Liebe anrichten kann. Es sind vor allem die Momente der Sehnsucht und Zurückgezogenheit, in denen besonders viel von Norah in Elizabeth einfließt.

"Elizabeth ist mir sehr ähnlich", sagt sie. "Sie hat Humor, ist verletzlich und eigensinnig. Aber sie hat keine Angst vor neuen Herausforderungen und das macht sie stark." In Wong Kar-Wais Augen verleiht Norah Jones dem Film "einen bestimmten Rhythmus - weil sie so spontan sein kann", wie er sagt. "Wie ein Schwamm saugt sie alles um sich herum auf. Man kann zusehen, wie eine Schauspielerin geboren wird." Und dann - eine Zärtlichkeit, die man bestimmt nicht vergisst. Eine Kuss-Szene dreht Wong Kar-Wai drei Tage lang. "Dieser heimliche Kuss ist ganz zentral für den Film", weiß Jude Law, "eine der wenigen Szenen, die Wong Kar-Wai genau geplant und inszeniert hat. Und wir mussten ganz schön üben."

Der Film lebt von der Sehnsucht, die die Figuren umtreibt. Und von der Zeit, die keine Wunden heilt, schon gar nicht Liebeskummer. Jeremy wartet. "Er lässt sein Leben stillstehen, bis ihn die Liebe findet", so Jude Law. Elizabeth wartet nicht. Ihre Suche nach Liebe führt sie auf einen elegischen Trip durch Amerika. Ihr begegnet ein Panoptikum verlorener Seelen: Sie trifft die geheimnisvolle Leslie, umwerfend gespielt von Natalie Portman, die lieber zockt als über Enttäuschungen zu sprechen. Als Schnellimbiss-Serviererin wird Elisabeth Kronzeugin einer zerrütteten Ehe. Sue Lynne, gespielt von Rachel Weisz, bevorzugt die Einsamkeit, statt sich verlorener Gefühle hinzugeben.(...)" mehr

Jane Birkin

Interessantes über Jane Birkin. Bilder-Galerie.

Jane Birkin, "Yesterday Yes a Day", mit einer schönen Bildersammlung:

»Meine sexuelle Revolution«

"Für den Skandalfilm »Blow Up« zog sie sich aus. Sie stöhnte das Liebeslied »Je t’aime«. Jane Birkin war das Sexsymbol der 68er. Heute sagt sie: Ich war nur eine Puppe. Die Schauspielerin über ihre Befreiung, die 40 Jahre lang gedauert hat
(...)
Madame Birkin, im Flugzeug haben wir einen Mann getroffen, der ein großer Fan von Ihnen und Serge Gainsbourg ist. Ein russischer Jude, der jetzt in den USA lebt. Wir sollen Sie grüßen.
Ah, das ist nett. War er schön?
Es ging.
(Sie lacht)
Warum fragen Sie das? Ist es wichtig für Sie, dass ein Mann schön ist?
Nein, das interessiert mich nicht unbedingt. Ich glaube, ich habe da auch nicht dieselben Maßstäbe wie andere Leute. Aber Serge war ja auch russisch-jüdisch. Deshalb fangen da bei mir gleich alle Lampen an zu leuchten. Ich denke: Ach sieh an, vielleicht noch so einer.
Was meinen Sie damit? Einen bestimmten Typ Mann, vielleicht auch ein bisschen Macho?
Nein, überhaupt nicht, ich meine eher einen melancholischen Typ, einen sehr witzigen – so sind alle Völker, die gezwungenermaßen viel unterwegs waren. Ich finde, Humor und die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, sind am Ende das Wichtigste, was man hat. Nehmen Sie Charlie Chaplin oder Woody Allen, die stehen für diese Tradition des Anekdotenerzählens und des Humors.
Sie meinen, dass man lacht, selbst wenn es keinen Grund zum Lachen gibt?
Ja, genau. Das war das Credo von Serge: Es ist besser, aus Angst zu lachen, als zu weinen. Und da ist viel dran.(...)" weiter lesen

Comment Lui Dire Adieu

Einige Ausschnitte aus dem Film "Fanfan und Alexandre" (Frankreich 1993) mit Sophie Marceau und Vincent Perez zum Lied von Serge Gainsbourg "Comment Lui Dire Adieu", gesungen von Francoise Hardy.

Sprache in der Sprachlosigkeit

Heute, am 15. Januar '08, wird auf 3Sat um 22:25 ein sehr interessanter Film des polnischen Regisseurs Andrzej Zulawski "Meine Nächte sind schöner als deine Tage" ("Mes nuits sont plus belles que vos jours", Frankreich 1989) ausgestrahlt.

"In MEINE NÄCHTE SIND SCHÖNER ALS DEINE TAGE, inspiriert durch Raphaele Billetdoux’ gleichnamigen Roman, wird der Verlust der Sprache zum eigentlichen Thema des Films. Der Informatiker Lucas (Jacques Dutronc) entwickelt eine neue Computersprache und leidet fortan an einem Gehirntumor, der beständig sein Erinnerungsvermögen schädigt. Um so viele Wort wie möglich zu bewahren, beginnt er, eine exzessive Gesprächskultur zu praktizieren. In einem Straßenbistro begegnet er der jungen Blanche (Sophie Marceau). Die Frau lebt in Abhängigkeit zu ihrem zwielichtigen Ehemann und einer lebenslustigen Mutter (Valérie Lagrange). Lucas wird besessen von Blanche und folgt ihrem Weg nach Biarritz, wo sie in einer esoterischen Stripshow vor dekadenten Reichen tanzen soll. Die beiden gequälten Seelen verleben drei leidenschaftliche Tage am Meer, wo sie sich vor allem auf physisch-sexueller Ebene begegnen und eine eigene Form der Kommunikation entwickeln, wie es der selbstgewählten Isolation der Liebenden entspricht. Die Sprache der Sinne ersetzt die verbale Kommunikation.
(...)
Für Zulawski ist die exzessive und oft scheinbar ziellose Sexualität seiner Protagonisten eine finale Sprache, die Sprache der Verzweiflung angesichts der Unmöglichkeit zwischenmenschlicher Kommunikation. Als einzige und letzte Utopie bleibt letztlich doch nur: die Liebe. „Es ist wichtig, zu lieben.“" weiter lesen


" Der polnische Regisseur Andrzej Zulawski („Nachtblende“), der mit seinen überwiegend in Frankreich gedrehten erotischen Dramen die existentiellen Abgründe der menschlichen Psyche ausleuchtet, wurde für „Meine Nächte sind schöner als deine Tage“ seinerzeit von der Kritik gescholten. Die 2007 veröffentlichte, 15 Minuten längere integrale Fassung zeigt nun, dass ihm Unrecht getan wurde. Denn die jetzt zum Vorschein kommende Komplexität der Charaktere verdichtet sich zu einem spannenden, exzentrischen Drama, einer Reflexion über die Vergeblichkeit der Liebe im Zeichen des Todes und über die Unmöglichkeit einer Sprache der Liebe im Zeichen der Sprachlosigkeit. " mehr

Schlaf

Es war bereits dunkel, eine tiefe Nacht. Er sah sie an, sie schlief friedlich und ruhig. Er legte sich leise daneben, ohne ihre Decke zu bewegen, nur um sie nicht aufzuwecken. Um sie nicht aus ihrer Welt der Träume zu holen. Sie sah zerbrechlich aus, aber keine Spur von Trauer war in ihr. Man hatte das Gefühl, dass wenn sie aufwachen würde, das Zimmer mit Lachen gefüllt sein würde, mit ihrer Freude, mit der Wärme. Er wollte ihre Wange mit seinem Finger  streicheln und die Haarsträhnen von ihrer Stirn vorsichtig zur Seite schieben. Einige Millimeter vor ihrem Gesicht stoppte seine Bewegung. Nein, ihr Schlaf war viel zu kostbar, um sie für eine seiner Schwächen zu beunruhigen. Er sah sie an, genoss diesen Anblick, denn in diesen Momenten war sie versunken in den Schlaftrunk, völlig entglitten, aber gehörte ihm trotzdem. Er merkte nicht, wie er selbst daneben noch angezogen einschlief.

Morgens machte sie die Augen auf, spürte seine Wärme daneben, sah ihn und beobachtete ihn leise. Sie wollte seine Stirn mit einem Kuss berühren, aber sie wagte es nicht, ihn zu wecken. So lächelte sie, als sie seinen kindischen, völlig unschuldigen Ausdruck auf dem Gesicht und den Lippen sah, deckte ihn zu und verschwand in die Welt draußen, die auf sie wartete...

15.01.08


Bei Remarque war es viel schöner. Sein Zitat wurde
bereits früher von mir hier erwähnt.

Tzigane

Isaac Stern spielt Ravel's Tzigane.

Zärtlichkeit

Bild: Anna Achmatova (Quelle: Wikipedia)



A. Achmatova (1889-1966)

* * *
Echte Zärtlichkeit ist unverwechselbar
Und sie ist leise. Vergeblich
Umhüllst du mir sorgsam
Schulter und Brust mit Pelzen,
Vergeblich sprichst du gefällige Worte
Von der ersten Liebe.
Wie kenne ich diese beharrlichen,
unersättlichen Blicke von dir.

Dezember 1913
Carskoe Selo



* * *
Wir werden nicht aus einem Glase trinken,
kein Wasser und auch keinen süssen Wein.
Nie wird im Kuss uns früh die Welt versinken,
ins Fenster schaun wir nicht beim Abendschein.
Ich atme Mondlicht, und du atmest Sonne,
doch leben wir aus einer Liebeswonne.
Die Freundin, immer fröhlich, ist bei dir;
du ­ zärtlich-treu, bist nahe meinem Herzen.
Doch deiner grauen Augen Angst ist mir
verständlich. ­ Du bist schuld an meinen Schmerzen.
Uns kurz zu sehen ist uns nicht bestimmt,
damit uns nichts die Ruh', den Frieden nimmt.
In meinem Vers nur deine Stimme singt,
in deinem Vers ist meines Atems Wehen:
Ein Scheiterhaufen ­ Angst nicht vorm Vergehen
und auch Vergessen bis zu ihm nicht dringt.
Und wenn du wüsstest, wie sie mich verlocken,
die Lippen, deine, rosenrot und trocken.
1913



* * *
Zerknülle nicht den Brief, den ich dir schrieb,
Lies, lieber Freund, ihn bitte ganz zu Ende.
Die Unbekannte spielen macht mich müd
Auf deinem Weg als allzeit Fremde.

Nun schau nicht so, lass dieses böse Grinsen.
Bin deine Liebste, ich bin dein.
Doch eine Hirtin, eine Königin
Und Nonne gar will ich längst nicht mehr sein –

In diesem taubengrauen Alltagskleid,
Auf Absätzen, die längst schon schiefgelaufen …
Doch wenn du mich umarmst, brennt's alte Leid,
Dieselbe Angst in diesen großen Augen.

Zerknülle nicht den Brief, den ich dir schrieb,
Musst nicht um die verhohlne Lüge weinen,
Stopf in dein Bündel ihn, wo er ganz tief
Am Boden wird gut aufgehoben sein.

1912
Carskoe Selo

Die Antwort

Hier ist vielleicht die gesuchte Antwort auf meine vor kurzem gestellte Frage nach dem Glück.

Wilhelm Schmid. Die Suche nach Sinn und Glück (eine 55-minütige Sendung auf NZZ)

W. Schmid ist ein freier Philisoph. (über ihn)

The Cemetery Club

Ein wundervoller Film ist gerade auf DVD erschienen. "The Cemetery Club" (IL 2006) Video
"Nationalfriedhof Mount Herzl in Israel. Jeden Samstag morgen die gleiche Prozession: Bestückt mit Plastik-Klappstühlen und Essensboxen zieht eine Gruppe älterer Menschen an dem Grabstein des Wegbereiters des politischen Zionismus vorbei, um es sich unter dem Schatten einer ausladenden Kiefer bequem zu machen. Die "Mount Herzl Academy" tagt. Fünf Jahre lang hat die Filmemacherin Tali Shemesh die Gruppe begleitet, deren Zweck, neben der Diskussion kultureller und zeitgeschichtlicher Fragen laut Satzung darin besteht, der Vereinsamung im Alter vorzubeugen. Im Mittelpunkt stehen Minya, die zurückhaltende und eher schweigsame Großmutter der Regisseurin, und Lena, deren dominante Schwägerin - zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können und die das Schicksal doch fest aneinandergebunden hat. Mit großer erzählerischer Sicherheit bewegt sich der Film zwischen der Gruppe, deren Mitglieder nach und nach sterben, und Lenas privatem Drama, das stellvertretend für das Trauma derer steht, die den Nazi Terror überlebt haben. Mit "The Cemetery Club" gelingt der Regisseurin ein ergreifendes, sehr persönliches und unerwartet humorvolles Portrait der Holocaust Generation, wie wir es so noch nie gesehen haben. (DOK Leipzig 2006)" Link
Dieser Filmausschnitt rührte mich zu Tränen:



Sehr interessante Kritik auf Aviva: The Cemetery Club - Mo´adon Beit Ha´kvarot

Vielleicht

Der winterliche Wind hob ihre Haare in den Stößen hoch und verdeckte ihre Augen. Sie war zu leicht angezogen. Der Rock ihres Kleides flatterte und drohte, ihre Beine den gaffenden Blicken der Umgebenden bloß zu stellen. Sie frierte und wartete.

Worauf? Diese Frage stellte sie sich jeden Morgen, wenn sie sich unausgeschlafen aus dem Bett zwang, und es betraf ihr ganzes Leben.

Um dem unzufriedenen Zustand ein Ende zu setzen, stellte sie sich vor den Spiegel, betrachtete sich und sagte sich mit einer leisen, aber entschlossenen Stimme: Genug!

Darauf holte sie aus dem Schrank ihr knappes schwarzes Kleid, zog ihre fast durchsichtigen Strümpfe an, machte die Reißverschlüsse ihrer Stiefel zu. Ihr Mantel verdeckte das Kleid, man hätte denken können, dass nichts ausser von diesem dicken Stoff sie umhüllen würde. Eine leichte Parfümwolke verblieb im Korridor, nachdem die Wohnungstür hinter ihr zugeschlagen hatte.
Die ganze Zugfahrt lang behielt sie ihren Mantel an, obwohl es nicht mehr kalt war, als ob sie Angst hatte, dass es ihr Geheimnis preisgeben würde. Ihre dunklen Augen waren aufgeregt, ihr Atem auch. Was, wenn das alles nur ein Scherz war, - drehte sich die Frage in ihrem Kopf.
Sie wartete in der Schlange vor dem hell beleuchteten Haus auf ihren Eintritt und kämpfte mit der Kälte und dem Wind. Sie trat ein, die Wärme kam ihr entgegen. Endlich zog sie ihren Mantel in der Garderobe aus, holte tief Luft ein, und folgte den Pfeilen zu dem Raum. Ruhig betrachtete sie die Bilder auf den Wänden, bis sie zum Gauguin kam, und blieb vor ihm stehen. Es war sieben Uhr abends, in fünfzehn Minuten würde alles vorbei sein, das Warten der Monate. In diesem Zustand wurde sie von einer älteren Frau angesprochen, die ihr Programmheft zum Boden fallen ließ und es nicht selbst hochheben konnte. Das hat sie wieder beruhigt, sie sogar zu lächeln anfing und fast vergaß, wieso sie da war. Das Licht fiel weich auf ihre Schultern und sie stand entspannt vor dem Gemälde.
Eine leichte Berührung fremder, noch von draußen kalter Finger auf ihrer linken Schulter ließ sie die Augen schließen.

"Schwarz steht dir tatsächlich gut",- hauchte eine etwas heiser klingende, fremde, jedoch aus den Träumen vertraute Stimme ihr ein, - "Bist du aufgeregt?"
"Ja...",- folgte von ihr nach einer kleinen Pause.
Sie drehte sich um. Er war da, ganz nah.
"Hab keine Angst,... Liebste..."

«Der Gott, an den ich nicht glaube, ist ein jüdischer»

Neu erschienen NZZ Folio 01/08 - Thema: Jung und jüdisch
Einiges daraus z.B.:

- "Juden sind Wucherer!" (Von Lena Gorelik)
Die Schriftstellerin Lena Gorelik überprüft übliche antisemitische Vorurteile – an sich selbst.

- "Mein jiddisches Lieblingswort" (Von Helen Schulmann)
Das Lieblingswort von Jackie Mason:
Feh

"Es ist spät in der Nacht, du gehst mit zu ihr, und als ihr euch langsam näherkommt, sagst du: «Ich kann’s nicht glauben, du bist das Grossartigste, was mir je begegnet ist.» Zu dir selbst sagst du: «Immerhin. Was Besseres gibt’s nicht um diese Zeit, es ist vier Uhr in der Früh. Was hast du denn erwartet?!» Um Viertel nach vier aber, wenn du sie dir genau anschaust und dir eingestehen musst, was du wirklich denkst, gibt es ein einziges Wort, das es treffend zum Ausdruck bringt. Dieses Wort ist Feh. Feh geht einher mit: «Wo kriege ich hier am schnellsten ein Taxi?» Mehr

- «Wer ein Jude ist, bestimme ich!» (Von Doron Rabinovici)

„Fragt einer den anderen im Zug: «Entschuldigen Sie bitte, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber sind Sie Jude?» – «Wo denken Sie hin? Keineswegs.» Nach einer Weile: «Verzeihung, aber sind Sie nicht dennoch jüdisch?» – «Nein, ich sagte Ihnen schon, ich bin kein Jude.» Es vergeht nicht viel Zeit, da fragt der erste wiederum: «Nehmen Sie es mir nicht übel, aber zum letzten Mal: Sind Sie nicht doch womöglich irgendwie jüdisch?» – «Also gut», gesteht der Mann: «Stimmt. Ich bin Jude.» – «Merkwürdig», sagt sein Gegenüber, «Sie sehen nämlich überhaupt nicht jüdisch aus.»
(…)
Die Mehrheit der Juden in den USA und in Israel ist übrigens säkular. Viele sehen sich eher als Teil einer Kultur. Von der Existenz eines Vaters im Himmel sind sie nicht überzeugt, aber an der Macht der jiddischen Mamme zweifeln sie keine Sekunde. Sie glauben an den Reichtum hebräischer und jiddischer Kunst, an die Prägungen durch gemeinsame Geschichte und gemeinsames Schicksal, an die Traditionen des jüdischen Humors. Dennoch können auch jüdische Atheisten die Bedeutung der Riten und der Religion nicht verleugnen. «Der Gott, an den ich nicht glaube, ist ein jüdischer», erklärte David Ben Gurion.
(…)
Ich erinnere mich an einen tschechoslowakischen Politiker, der nach dem Prager Frühling zu den Vernehmungen geholt wurde. «Sie sind Zionist», fuhr ihn der Verhöroffizier an. – «Nein, ich bin Kommunist, aber Sie meinen wohl, ich sei Jude.» – «Passen Sie auf! Das habe ich nicht gesagt, wir sind keine Antisemiten. Gestehen Sie, dass Sie Zionist sind.» – «Ich bin kein Zionist», antwortete er. «Ich bin jüdischer Abstammung – wie Karl Marx.» – «Was», entfuhr es dem Offizier, «der war auch Zionist?»
(…)
Eine Einigung in dem Jahrtausende alten Disput, was jüdisch ist, scheint nicht in Sicht. Womöglich ist es eben immer eher die Frage als die eine einzige Antwort, die das jüdische Dasein ausmacht. Die Auseinandersetzung selbst ist Ausdruck der Vielfalt und Lebendigkeit dessen, was wir in trügerischer Einzahl Judentum nennen.“ Link

Der letzte Beitrag erinnerte mich an den köstlichen älteren Artikel von Henryk M. Broder, "Zur Hölle mit den Konvertiten!"

Israel wird 60!

In diesem Jahr wird der Staat Israel 60!


Anlässlich dieses Jubiläums finden in Deutschland und Israel zahlreiche Veranstaltungen statt. Alle Infos darüber sind hier.

9. Januar 2008

Ne me quitte pas

Zum Herzzerreissen...
"Das bekannteste Chanson von Jacques Brel und eines seiner schönsten. Ein Mann fleht seine Geliebte an, ihn nicht zu verlassen, ihm zu verzeihen, zu vergessen und endet in der Selbstaufgabe: Ich werde nicht mehr weinen, ich werde nicht mehr reden, ich werde mich dort verstecken, dich einfach nur beobachten, wenn du tanzt und lächelst, dir zuhören, wenn du singst und lachst. Laß mich zum Schatten deines Schattens werden, zum Schatten deiner Hand, zum Schatten deines Hundes, aber verlaß mich nicht. "Ne me quitte pas, ne me quitte pas, ne me quitte pas.""Link

Jacques Brel - Ne me quitte pas (Fr. Lyrics)


Ne me quitte pas - Bitte geh nicht fort

(Übersetzt auf Deutsch von Klaus Hoffmann)

Bitte geh nicht fort
man muss vergessen
man kann vergessen
jeden Tag und Ort
vergiss die Zeit
unserer Irrungen
und Verwirrungen
die verlorene Zeit
man kann sie betörn
lass die Fragen ruhn
nach dem warum
die das Glück zerstörn
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort

Schau,
ich schenke dir
Perlen aus Regen
aus einem Land
wo der Regen nie fällt
ich durchkreuz die Welt
bis nach meinem Tod
und bedecke dich
mit Gold und Licht
es gibt ein Beginn
wo nur Liebe ist
wo du Herrin bist
eine Königin
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort

bitte geh nicht fort
und ich öffne dir
jede Tür
mit dem Zauberwort
ich erzähle dir
von dem Liebespaar
das vertrieben war
und zurückgeführt
ich les dir die Hand
von dem König, der
gab sein Leben her
weil er dich nie fand
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort

man hat oft erlebt
daß ein Vulkan
dessen Feuer zerrann
neu zu flammen begann
und die Erde grünt
neues Leben beginnt
aus verbranntem Stein
wie im schönsten Mai
und die Nacht erscheint
wenn der Himmel loht
weil das schwarz und rot
sich aufs neue vereint
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort

bitte geh nicht fort
und ich sag nichts mehr
und ich klag nicht mehr
such mir einen Ort
will dich nur noch sehn
und dich sprechen hörn
singen, lachen, hörn
will dich tanzen sehn
lass mich Schatten sein
deines Schattens sein
Schatten wie ein Hund
lass mich Schatten sein
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort
bitte geh nicht fort


Laut gedacht, leise gezweifelt

* * *
Ich sehe Himmel und er ist meiner.
Nein, er ist unser Himmelbett.
Erwartung macht ihn regnerisch und grau,
Doch nicht mehr lange,
Wenn deine Wärme mich erweckt.

Bedecke mich, bedecke mich mit Küssen.
Entreiße mich der ganzen Welt.
Will nur dein Vogel sein, dein freier Vogel,
Der Fliegen erst mit deinen Flügeln lernt.


* * *
Was tue ich nur. Ich mache jemanden unglücklich.
Wie man das mit mir tat und tat.
Ich bin aber nicht mehr die Herrin der Gedanken.
Denn sie gehören dir, wie auch mein Herz.

Unglücklich? Ich weiß nicht.
Soll man Umarmung jenige der Ketten
Nicht der des Liebsten doch vorziehen.
Nein, will ich nicht. Es gibt kein Glück und Unglück.
Sei einfach mit mir glücklich.
Es gibt nur dich,
Es gibt nur mich.


* * *
Ich habe solche Angst vor deinen Augen,
Dass sie mich lähmen und ich wortlos bleib.
Aber die Reinheit ihrer Farbe, wie sie strahlen,
Wird mich zu meiner Unschuld führen und zu dir.


* * *
Ich will dich spüren, oh wie sehr, so unaufhaltsam
Ist dieser Wunsch in mir entflammt.
Solcher Unkeuschheit in Gedanken
Weiß ich weder die Lösung noch den Rat.

Herbst 2007

Was ist ein Dichter?


""Was ist ein Dichter?" fragt Sören Kirkegaard in Entweder - Oder und antwortet: "Ein unglücklicher Mensch, der tiefe Qualen in seinem Herzen birgt, dessen Lippen aber so geformt sind, dass, indem der Seufzer und der Schrei über sie ausströmen, sie klingen wie eine schöne Musik.""Link

Ich glaube, es stimmt.

Sehnsucht

Else Lasker-Schüler (1869-1945) Biographie

- Gott ist kein Spießer (Aus dem Jerusalemer Tagebuch von Werner Kraft) Begegnungen mit Else Lasker-Schüler in den letzten Jahre

- "Als Gottfried Benn im Februar 1952 im British Center in Berlin sein seither oft zitiertes Urteil verkündete: "Dies war die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte", wußten die meisten seiner Zuhörer mit dem Namen Else Lasker-Schüler kaum etwas anzufangen - und erst recht nichts mit ihren Gedichten. Die Nationalsozialisten hatten ganze Arbeit geleistet: Lasker-Schülers Werke waren verbrannt, die wenigen Zeichnungen, die es von ihr in deutschem Museumsbesitz gab, erst beschlagnahmt und dann billig verscherbelt worden. Mit ihrem 20. Todestag 1965 setzte zwar die langsame Wiederentdeckung der zeichnenden Dichterin ein. Eine philologisch haltbare Ausgabe ihrer Werke aber liegt erst jetzt vor, ein halbes Jahrhundert nachdem die deutsche Jüdin mittellos und einsam im unfreiwilligen Jerusalemer Exil starb."mehr

Ein Liebeslied

Aus goldenem Odem
Erschufen uns Himmel.
O, wie wir uns lieben...
Vögel werden Knospen an den Ästen,
Und Rosen flattern auf.
Immer suche ich nach deinen Lippen
Hinter tausend Küssen.
Eine Nacht aus Gold,
Sterne aus Nacht...
Niemand sieht uns.
Kommt das Licht mit dem Grün,
Schlummern wir;
Nur unsere Schultern spielen noch wie Falter.


Sehnsucht

Mein Liebster, bleibe bei mir die Nacht.
Ich fürchte mich vor den dunklen Lüften.
Ich hab' so viel Schmerzliches durchgemacht
Und Erinnerung steigt aus den Totengrüften.
Ich fürchte mich vor dem Heulen der Stürme
Und dem Glockengeläute der Kirchentürme,
Vor all' den Thränen, die heimlich fließen
Und sich über meine Sehnsucht ergießen.

Leg deine Arme um meinen Leib,
Du mußt ihn wie dein Kind umfassen;
Ich seh' im Geiste ein junges Weib -
Das Weib bin ich - von Gott verlassen .....
Mein Liebster, erzähle von heiteren Dingen!
Und ein Lied von Maienlust mußt du singen!
Und herzige Worte und schmeichelnde sag -...
Damit sie die Raben des Schicksals verjagen.

Mein Liebster, siehst du die bleichen Gespenster?
Von mitternächtlichen Wolken getragen...
Sie klopfen deutlich ans Erkerfenster.
Ein Sterbender will »Lebewohl« mir sagen.
Ich möchte ihm Blüten vom Lebensbaum pflücken....
Und die Schlingen zerreißen, die mich erdrücken!
Mein Liebster, küsse, - küß' mich in Gluten
Und laß deinen Jubelquell über mich fluten!

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Astor Piazzolla, "Soledad"



- Mehr von Piazzolla's Werken kann man sich hier anhören.
- Astor Piazzolla – Der Schöpfer des Tango nuevo. “Seit 1940 bis heute hatte ich die schrecklichsten Probleme, nur wegen einer Volksmusik namens Tango...”weiter lesen

David Oistrakh spielt Debussy's "Claire de lune", aufgenommen in Paris in 1962, begleitet am Klavier von Frida Bauer.



Über David Oistrakh

Wie wird man eigentlich...

... unglücklich?
Was ist denn eigentlich Glück?

Aus dem Buch von Paul Watzlawick "Anleitung zum Unglücklichsein":

""Was kann man nur von einem Menschen... erwarten? Überschütten Sie ihn mit allen Erdensgütern, versenken Sie ihn in Glück bis über die Ohren, bis über den Kopf, so daß an die Oberfläche des Glücks wie zum Wasserspiegel nur noch Bläschen aufsteigen, geben Sie ihm ein pekuniäres Auskommen, daß ihm nichts anderes zu tun übrigbleibt, als zu schlafen, Lebkuchen zu vertilgen und für den Fortbestand der Menschheit zu sorgen - so wird er doch, dieser selbe Menschen, Ihnen auf der Stelle aus purer Undankbarkeit, einzig aus Schmähsucht einen Streich spielen. Er wird sogar die Lebkuchen aufs Spiel setzen und sich vielleicht den verderblichsten Unsinn wünschen, der allerundökonimischsten Blödsinn, einzig um in diese ganze positive Vernünftigkeit sein eigenes unheilbringendes phantastisches Element beizumischen. Gerade seine phantastischen Einfälle, seine banale Dummheit wird er behalten wollen..."

Diese Worte stammen aus der Feder des Mannes, den Friedrich Nietzsche für den größten Psychologen aller Zeiten hielt: Fedor Michailowitsch Dostojewski. (...)

Es ist höchste Zeit, mit dem jahrtausendealten Ammenmärchen aufzuräumen, wonach Glück, Glücklichkeit und Glücklichsein erstrebenswerte Lebensziele sind. Zu lange hat man uns eingeredet - und haben wir treuherzig geglaubt -, daß die Suche nach dem Glück uns schließlich das Glück bescheren wird.

Dabei ist der Begriff des Glücks nicht einmal definierbar.
(...)
Und Spähman erwähnt dann die Weisheit eines jüdischen Witzes vom Sohn, der dem Vater eröffnet, er wolle Fräulein Katz heiraten. "Der Vater widerspricht. Fräulein Katz bringe nichts mit. Der Sohn erwidert, er könne nur mit Fräulein glücklich sein. Darauf der Vater: "Glücklich sein, und was hast du schon davon?"

Die Weltliteratur allein schon hätte uns längst mißtrauisch machen sollen. Unglück, Tragödie, Katastrophe, Verbrechen, Sünde, Wahn, Gefahr - das ist der Stoff, aus dem die großen Schöpfungen bestehen.
(...)
Machen wir uns nichts vor: Was oder wo wären wir ohne unsere Unglücklichkeit? Wir haben sie bitter nötig; im wahrsten Sinne dieses Wortes."
(...)
In seinem berühmten Werk Das Sein und das Nichts bezeichnet Jean Paul Sartre die Liebe als einen vergeblichen Versuch, eine Freiheit als Freiheit zu besitzen. Dazu führt er aus:

"Andererseits kann er (der Liebende) sich aber auch nicht mit jener erhabenen Form von Freiheit zufriedengeben, die eine ungezwungene und freiwillige Verpflichtung ist. Wer würde sich mit der Liebe begnügen, die sich als reine, dem Vertrauen geschworene Treue darbietet? Wem wäre es recht, wenn er hören müßte: "Ich liebe dich, weil ich mich freiwillig verpflichtet habe, dich zu lieben, und weil ich mein Wort nicht brechen will; ich liebe dich aus Treue zu mir selbst."? So verlangt der Liebende den Schwur und ist über den Schwur unglücklich. Er will von einer Freiheit geliebt werden und verlangt, daß diese Freiheit als solche nicht mehr frei sei". "