10. Juli 2012

Atme mich ein

Atme mich ein,
Den Himmel mit dem Meer vereinen.
Wenn sie zum Donnern kommen,
Stirbt die Last.
Wenn du der Himmel bist,
Bin ich die Erde, jene weiche.
Wenn du zur See zerfließt,
Bin ich dein Ufer, schwimme heim.

Wenn du mich küssen wirst,
Halt mir den Atem.
Nimm mich, wirf gegen harte Wand.
An deinen Lippen schmecke ich den Sommer.
Und die Nelken.
Ich kann mich noch an den Geschmack erinnern.
Es riecht, verlangt nach Zartheit roh, nicht rar.

Atme mich ein, Du Juli, Du verdammter.
Du, der die Schönheit mir absprach.
Ich könnte sagen, dass ich deine Worte hasse.
Ich könnte aber sagen: net, ljublju tebja.

Abend, 09. Juli 2012


Heute hat mich etwas berührt... 
Ingeborg Bachmann ist von unbeschreiblicher Bedeutung für mich. Meine Lieblingsdichterin. Ihre Gedichte, ihr Briefwechsel mit Paul Celan und ihr Roman "Malina" sind in meinem Herzen eingeprägt. Heute habe ich erfahren, dass eine in Russland geborene Lyrikerin und Schriftstellerin Olga Martynova den diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Preis erhalten hatte. Wie berührend ist das für mich. Als ich mehr über Martynova las, fühlte ich sie auf einmal so nah. Ihre Geschichte, mit der sie gewonnen hatte, erinnerte mich an etwas und ich dachte nach. Ich bin aufgewühlt in mir und würde so gerne es dir erzählen. Hörst du? Dass sie in Leningrad aufgewachsen ist und jetzt in Frankfurt lebt. Dass ihre Geschichte von einem Jungen handelt, der seine Gefühle und Posie in den Ferien entdeckt. Dass Martynova mit einem Poeten und Schriftsteller lebt, ebenfalls einem russisch-jüdischen, und sie ein glückliches Schriftsteller-Paar sind. Sie haben einen Sohn in Frankfurt jüdisch erzogen. 
“Die neue Bachmann-Preisträgerin überzeugte mit dem Text „Ich werde sagen: Hi!“, den Juror Paul Jandl als „Geburt eines Dichters durch die Erotik“ beschrieb. Jurorin Daniela Strigl freute sich über den „hintersinnigen, anarchischen Witz“ in der Erzählung, die Kritikerin Meike Feßmann lobte den Beitrag als „souveränen und luftigen“ Text. Die 50-jährige Autorin schildert das doppelte Erwachen ihres jungen Protagonisten während der Ferien – Dichtung und Mädchen ziehen ihn gleichermaßen an. Die Jury beeindruckten vor allem kunst- und humorvoll eingeflochtene kulturgeschichtliche Bezüge.” [Quelle]
Ihren Text „Ich werde sagen: Hi!“ kann man im Volltext hier nachlesen. 

Auf Deutschlandradio Kultur gibt es ein wunderbares Interview mit der Preisträgerin. Sie erklärt, Aufgabe der Literatur sei es, die Sprache neu zu erschaffen, um das Denken zu sensibilisieren. In der “Jüdischen Allgemeinen” gab es Anfang des Jahres auch ein sehr interessantes Gespräch “Ein Paar Autoren” mit Olga Martynova und ihrem Mann, dem Dichter und Schriftsteller Oleg Jurjew. 
"Glückliche und gleichermaßen erfolgreiche Schriftstellerpaare sind selten. Martynova und Jurjew sind ein angenehm uneitles Duo, zurückhaltende Naturelle, zu Beginn freundlich reserviert – wer schreibt, bleibt wachsam, wenn er selbst betrachtet und beschrieben werden soll. Jurjew ist der Typus des intellektuellen Schriftstellers, Traditionalist und Neuschöpfer zugleich. Mit seinem Roman Die russische Fracht (2009) verlangt er seinen Lesern einiges ab." weiter lesen
Ich fand ein Gedicht von Martynova auf Russisch und bin etwas stumm geworden...
Памяти Ани Коробовой

И вышла голая душа

в поля, в леса,
шурша неслышною травой,
и колкий иней в облаках
над поседевшею Невой,
и птичий всхлип в садах.

С иголочки, куда ни глянь,

одета зимняя земля,
такие новые поля
и непривычные леса,
и света сильная рука

тебя бросает в облака.

[Quelle]

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