29. Mai 2012

Nachts

Nachts die Rehe beobachten... Aus dem Zug ausbrechen wollen, nur um barfuß die Felder entlang zu laufen. Mit dem Schmutz an den Füßen klebend in den Fluss springen, bodenlos sein und schwimmen. Das Wasser mit jeder Pore in sich lassen. Was für Leichtigkeit. Die Bäume umarmen, an ihrer Rinde riechen. In den Wald, in den Wald. Sich verirren und erschöpft im Gras zum Schlafe legen. Die warme Erde einatmen, gegen Morgen von einem zarten Ast geweckt sein. Der Baum wurde zu einem Geliebten. Sommernacht.

28. Mai 2012, nach einer Zugfahrt

16. Mai 2012

Mein Schmerz gehört nur mir

* * *
Mein Schmerz gehört nur mir,
Belass ihn. 
Nimm ihn nicht weg,
Was sollst du schon damit.
Du brauchst ihn nicht.
Nur ich darf ihn behalten.
Den Schmerz, der lügt,
Den hellen Schmerz, der liebt.



 * * *
In meinem Herzen blüht ein Loch
Tief dunkel, naß und bodenlos.
Schenk mich nicht weg
Zur Kälte in die Nächte.
Schick mich nicht fort
Zur Leere in den Schoß

Mai 2012



Emil Gilels spielt Rachmaninow, Vocalise op.34 no.14


14. Mai 2012

Warum die schwarze Antwort des Hasses auf dein Dasein, Israel?


"Erst die unausweichlich existentielle Bedrohung durch den deutschen Faschismus zwang so viele Juden, und eben auch diese Dichterinnen, in das Bewußtsein ihrer Zugehörigkeit zum Judentum.
Von allem Anfang an hatten sie geglaubt, dem Deutschtum zugehörig zu sein: seiner Sprache, seiner Kultur, seiner Landschaft. Nelly Sachs nannte sich mit Selbstverständlichkeit eine junge Deutsche, als sie 1921 ihr erstes Buch der bewunderten schwedischen Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf übersandte. Und Else Lasker-Schüler widmete ihren letzten Gedichtband, MEIN BLAUES KLAVIER, 1943, aus dem fernen Palästina Meinen unvergeßlichen Freunden und Freundinnen in den Städten Deutschlands. In Treue. Allein der tiefe Riss zu dem geglaubten Herkommen fand nun seinen Ausdruck in dem ergreifenden Bekenntnis-Gedicht von Gertrud Kolmar, WIR JUDEN, entstanden im Herbst 1933, dem Jahr der Machtergreifung Hitlers. Bekenntnis zu einer Leidensgemeinschaft und einer nicht aufgebbaren Hoffnung. Leid und Hoffnung, über Jahrtausende, diesem einen Volk eigen, lassen uns nun vielleicht doch von einem „Schicksal” sprechen, wenn wir es im Goetheschen Verständnis „Das Unerforschliche” nennen. Ihm unterwarf sich Nelly Sachs, im Anblick des Holocaust dieses 20. Jahrhunderts, in antwortloser Frage:

Warum die schwarze Antwort des Hasses
auf dein Dasein, Israel?

Wie weit dein Weg von der Segnung
den Äon der Tränen entlang
bis zu der Wegbiegung
da du in Asche gefallen

Warum die schwarze Antwort des Hasses
auf dein Dasein
Israel?

Die Frage ist an uns gerichtet; sie ist an die Menschheit gerichtet."

Diese Frage ist immer noch existent. Hier

1. Mai 2012

Non-Anständig °5

Als deine Lippen meine riefen
Und dein Geruch den meinen fand,
Als deine Wünsche in den Fingern
Mein Land entdeckten,
Schwand die Scham.
Von deinen Küssen tief betrunken,
Erstickte ich im Schluchzen fast.
Nimm mich in deine Arme, Wilder,
Zerkratze meine Hülle mit den Ästen.
Komm, ferner Jüngling, in die Nacht.

01. Mai 2012

William-Adolphe Bouguereau, Badende, 1870  [via Wikimedia Commons]


Gioconda Belli

Bedecken will ich
Dein Geschlecht mit Äpfeln
Mangonektar
Erdbeerfleisch.

Dein Körper ist Frucht.

Umarm ich Dich, so rollen Mandarinen
ich küsse Dich und alle Trauben
ergießen den heimlichen Wein
ihres Herzens
auf meinen Mund.
In Deinen Armen spürt meine Zunge
den süßen Saft der Orangen
In Deinen Beinen bewahrt der Granatapfel
seinen erregenden Samen.

Ich will die saftigen Früchte ernten
die im Schweiße Deiner Poren reifen:

Mein Mann aus Pfirsich und Limonen
laß mich trinken aus den Quellen
der Aprikosen, Bananen
und Trauben aus Kirsch.

Dein Körper ist das verlorene Paradies
aus dem mich nie
ein Gott wird vertreiben.
 [Quelle]