13. Juli 2008

Morgens und abends zu lesen

B. Brecht (1898-1956)
"Und fragst du mich, was mit der Liebe sei?
So sag ich dir: Ich kann mich nicht erinnern."

Morgens und abends zu lesen


Der, den ich liebe
Hat mir gesagt
Daß er mich braucht.

Darum gebe ich auf mich acht
Sehe auf meinen Weg und
Fürchte von jedem Regentropfen
Daß er mich erschlagen könnte.


„Wenn man an Bertolt Brecht denkt, wird man selbstverständlich sofort an den marxistischen Stückeschreiber verwiesen, der das Theater des 20. Jahrhunderts revolutionierte, und an den Propagandisten, dem nur der politische Kampf etwas bedeutete. Und doch merkt man bei genauerem Hinsehen, daß der Lyriker Brecht neben dem Autor der Lehrstücke durchaus bestehen kann.
Die Liebe oder, wenn wir diesen Bereich weiter fassen, die menschlichen Beziehungen, nehmen in Brechts Werk einen bedeutenderen Platz ein, als man gewöhnlich glaubt. Jedoch war Brechts Schaffen auf diesem Gebiet unregelmäßig. In seiner ersten Schaffensperiode entstanden die meisten und auch bekanntesten Liebesgedichte. In der zweiten Periode scheint sich Brecht allmählich von diesem Thema abzuwenden, so daß in den 40er Jahren kein einziges Liebesgedicht entstand. Erst 1950 wird das Liebesgedicht in seiner wahren Funktion und seinem Wert bei Bertolt Brecht wiederhergestellt.[…]“ weiterlesen


Erinnerungen an Marie A.

1
An jenem Tag im blauen Mond September
Still unter einem jungen Pflaumenbaum
Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe
In meinem Arm wie einen holden Traum.
Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange sah
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben
Und als ich aufsah, war sie nimmer da.

2
Seit jenem Tag sind viele, viele Monde
Geschwommen still hinunter und vorbei
Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen
Und fragst du mich, was mit der Liebe sei?
So sag ich dir: Ich kann mich nicht erinnern.
Und doch, gewiß, ich weiß schon, was du meinst
Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer
Ich weiß nur mehr: Ich küsste es dereinst.

3
Und auch den Kuss, ich hätt' ihn längst vergessen
Wenn nicht die Wolke da gewesen wär
Die weiß ich noch und werd ich immer wissen
Sie war sehr weiß und kam von oben her.
Die Pflaumenbäume blühn vielleicht noch immer
Und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind
Doch jene Wolke blühte nur Minuten
Und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind.


Ich habe dich nie je so geliebt

Ich habe dich nie je so geliebt, ma soeur
Als wie ich fortging von dir in jenem Abendrot.
Der Wald schluckte mich, der blaue Wald, ma soeur
Über dem immer schon die bleichen Gestirne im Westen standen.

Ich lachte kein klein wenig, gar nicht, ma soeur
Der ich spielend dunklem Schicksal entgegenging –
Während schon die Gesichter hinter mir
Langsam im Abend des blauen Walds verblaßten.

Alles war schön an diesem einzigen Abend, ma soeur
Nachher nie wieder und nie zuvor –
Freilich: mir blieben nur mehr die großen Vögel
Die abends im dunklen Himmel Hunger haben.


Entdeckung an einer jungen Frau

Des Morgens nüchterner Abschied, eine Frau
Kühl zwischen Tür und Angel, kühl besehn
Da sah ich: eine Strähn in ihrem Haar war grau
Ich konnt mich nicht entschließen mehr zu gehn

Stumm nahm ich ihre Brust, und als sie fragte
Warum ich, Nachtgast, nach Verlauf der Nacht
Nicht gehen wolle, denn so war's gedacht
Sah ich sie unumwunden an und sagte

Ist's nur noch eine Nacht, will ich noch bleiben
Doch nütze deine Zeit, das ist das Schlimme
Daß du so zwischen Tür und Angel stehst

Und laß uns die Gespräche rascher treiben
Denn wir vergaßen ganz, daß du vergehst
Und es verschlug Begierde mir die Stimme

Liebes- und erotische Gedichte Brechts kann man hier und hier (4 Seiten) lesen

Seine Liebeslyrik ist auch bei Amazon erhältlich.

Bereits früher wurden Brecht - Gedichte hier im Blog zitiert.

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