29. August 2007

Inkognito in Berlin (Teil 1)

Während meine Freunde und Bekannte sich in den richtigen Urlaub begeben hatten, verbrachte ich meinen Anfang August in Berlin. Eine Woche Eindrücke.

Bild: Berlin

Frisch angekommen am Bahnhof, setzte ich mich in die Bahn Richtung Treptow. Das war nicht meine erste Fahrt in die Hauptstadt, erst diesmal in aller Ruhe beobachtete ich aber unbemerkt die Passagiere. Und meine Verwunderung war groß: Die Mehrzahl von ihnen sah Ostblock-mäßig, sehr slawisch und sogar immer noch DDR-mäßig aus. Ich kann nicht beschreiben, was dieses Spezifische war. Es lag aber nicht nur an ihrer Art sich zu kleiden, zu schminken, an einem bestimmten Schnitt ihrer Frisur oder Tasche. Es waren vielmehr ihre Gesichter, Augen und ihr Ausdruck. Ich fühlte mich mit einem gemischten und komischen Gefühl, wie zu Hause, wie in der überfüllten Bahn in der ehemaligen oder Post-Sowjetunion. Es waren unmissverständlich keine Russen, waschechte Deutsche schauten mir entgegen, und nicht nur ältere Generation, auch die Jüngeren. Nicht der Ostblock war daran Schuld, vielmehr der Umstand, dass die Territorien, auf denen sich der Osten Deutschlands heutzutage ausbreitet, geschichtlich slawisch bevölkert waren. Nicht germanische, sondern slawische Völker bewohnten sie infolge der Völkerwanderung im Mittelalter.

Einige Links darüber:
Slawische Geschichte in Berlin weisen z.B. : Köpenick, Alt-Treptow, Teltow, Spandau (früher Spandow) nach.

Erst als ich mich in die Halle eines großen Einkaufladens begab, sah ich kinderreiche türkische Familien, die mit vollen Einkaufswagen herauskamen. Ja, endlich spürte ich es, doch im Westen angekommen zu sein. Plötzlich klingelte es neben mir und ich musste lächeln, als eine ältere Roma-Frau im Kopftuch, das vorne am Kopf zusammen geknotet war und nur das eine Ohr bedeckte, in einem bodenlangen Rock, auf einmal ihr Handy herausnahm und ganz laut "Halloooooooo?" rief. Ihre Tochter half ihr während dessen, Einkäufe in die Unmenge von am Boden verteilten Tüten einzupacken.
Der Stadtteil, in dem ich lebte, lag an der Grenze zwischen dem Osten und Westen, so dass man auf der Straße immer noch den Verlauf der Mauer erkennen konnte.


Bild: Berlin Treptow

Zwei interessante Begegnungen hatte ich bereits am ersten Abend. Während ich mich in einem kleinen Café stärkte, kam zu meiner völligen Überraschung mein Professor für Handels- und Gesellschaftsrecht - Prof. Dr. Karsten Schmidt aus dem bereits erwähnten Einkaufsladen heraus. Er hat mich natürlich nicht erkannt, aber ich war einfach glücklich ihn gesehen zu haben., so weit von zu Hause. Ich glaube, das war auch ein Gefühl der Dankbarkeit, die jeder Schüler seinen Lehrern gegenüber empfindet. Auch wenn ich im Nachhinein sehr bereue, dass sein Gesellschaftsrecht bei mir fast ausfiel. Seine Bücher gehören zu den Standardbüchern jedes Juristen, der sich mit dem Gesellschaftsrecht beschäftigt.

Am späten Abend fuhr ich zu dem Hackeschen Markt. Wie immer gab es viele gut besuchte Cafés mit Tischen unter freiem Himmel, eine Live-Band, die ihr Publikum mit modernen Liederklängen über Lautsprecher erfreute. Es waren sogar Shakira-Klänge mit dabei und sogar mit Kontrabass. Es ging weiter an allen kleinen angenehmen Cafés vorbei.
Meine Augen trafen auf einmal die aufmerksamen Augen eines jungen Mannes. Er saß auf der Bank vor einem dieser Cafés und erzählte etwas ganz lebendig seiner Begleiterin beim Rauchen einer Zigarette. Ich sah ihn an und konnte mein Glück kaum fassen. Ich glaube, er hat bemerkt, dass ich ihn erkannt habe - an meiner Verwunderung in den Augen. Aber ich konnte ihn nicht länger anstarren und so ging ich weiter, mit dem total glücklichen Gefühl in meiner Magengrube und ohne mich umgedreht zu haben. Ich fühlte mich wie ein Teenie. Es war einer meiner Lieblingsschauspieler. Daniel Brühl.

Ich bog in die Straße nach rechts ein, schaute auf das Denkmal für jüdische Opfer des Faschismus, das momentan allerdings wegen der Bauarbeiten am jüdischen Friedhof nicht zugänglich war. Schluckte tief und ging meinen Weg weiter.

Erst als ich mich auf den Weg zurück machte, an einem jüdischen Café und wieder an den kleinen Bars und Restaurants vorbei, bemerkte ich die in den regelmäßigen Abständen stehenden Frauen. Sie alle hatten den gleichen Stil: Meistens blonde Haare, hohe Stiefelabsätze, Ledercorsagen und stark geschminkt. Mitten im Leben. Sie beobachteten die Vorbeigehenden mit totaler Gleichgültigkeit. Nur manche Männer haben sie ab und zu am Weitergehen gehindert, um ihnen ihre Dienste anzubieten. Ich begab mich zu meinem seit dem letzten Besuch im Februar Lieblingsrestaurant „Trattoria La Scala“. Von da aus beobachtete ich die Frauen weiter und überlegte, welcher Mann es wohl wagen würde, in aller Öffentlichkeit eine Prostituierte anzusprechen. Und was, wenn seine Frau oder Bekannte ihn dabei erwischen würde... - in meiner Fantasie entwickelten sich bereits feurige Geschichten. Aber offensichtlich gab es solche Männer, vielleicht Touristen, vielleicht nur Autofahrer, sonst würden diese "Liebesdienerinnen" da nicht stehen. Wie lange ich auch wartete, habe ich leider keinen Kunden erlebt…
Noch schlenderte ich kurz durch die Hackeschen Höfe, und somit ging auch mein erster Tag zur Neige.

Bild: Berlin, die Hackeschen Höfe
Bilder: W.L.
Zum Teil 2

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