28. Juli 2007

Hilde Domin

Hilde Domin (1909, Köln - 2006, Heidelberg) Bio

FAZ: "(...)Das Faktum selbst war vielleicht merkwürdiger als die Szene, in der es geschah. Es war im Exil, in Santo Domingo; und das Pseudonym Domin, unter dem Hilde Palm fortan ihre Gedichte schrieb, sollte ein Dank an das Land sein, das sie und ihren Mann aufgenommen hatte. Bereits im Oktober 1932 waren der Archäologiestudent Palm und die 1909 in Köln geborene Tochter eines jüdischen Rechtsanwalts nach Italien gegangen. Die jungen Leute heirateten 1936, und die junge Frau promovierte im gleichen Jahr über die Staatstheorie der Renaissance.
Dann aber begann, nach einem kurzen Englandaufenthalt, das eigentliche Exil, kamen die zwölf Jahre Santo Domingo, verbracht im Windschatten der Trujillo-Diktatur. 1954 kehrten die Palms nach Deutschland zurück, 1961 wurde Heidelberg der Ort von Leben und Arbeit. Hans-Georg Gadamer, der Freund, hat Hilde Domin die „Dichterin der Rückkehr“ genannt. Er durfte das tun, ohne politisch mißverstanden zu werden.(...)" weiter lesen


WDR: Mit leichtem Gepäck durch ein bewegtes Leben
Ein Porträt der Lyrikerin Hilde Domin zu ihrem 95. Geburtstag

Zum Zweck zweckfreier Lyrik - Die „Sprachhandwerkerin“ Hilde Domin

Alle meine Schiffe

Alle meine Schiffe
haben die Häfen vergessen
und meine Füße den Weg.
Es wird nicht gesät und nicht geerntet
denn es ist keine Vergangenheit
und keine Zukunft,
kaum eine Bühne im Tag.
Nur der kleine
zärtliche Abstand
zwischen dir und mir,
den du nicht verminderst.


Wo steht unser Mandelbaum

Ich liege
in deinen Armen, Liebster,
wie der Mandelkern in der Mandel.
Sag mir: wo steht
unser Mandelbaum?
Ich liege in deinen Armen
wie in einem Schiff,
ohne Route noch Hafen,
aber mit Delphinen am Bug.

Unter unserem Rücken
ein Band von Betten
unsere Betten in den vielen Ländern,
im Nirgendwo der Nacht,
wenn rings ein fremdes Zimmer versinkt.

Wohin wir kamen
- wohin wir kommen, Liebster,
alles ist anders,
alles ist gleich.

Überall wird das Heu
auf andere Weise geschichtet
zum Trocknen
unter der gleichen
Sonne.


Harte fremde Hände

Harte fremde Hände
sollen über mich fahren
wie Pflüge
und deine Wurzeln zerreißen.
Ich will meinen Körper einreiben
mit fremdem Schweiß
wie mit einer beizenden Salbe
daß alle Poren vergessen
wie du riechst.
Haare ohne Namen
sollen auf meiner Haut liegen
wie Tannennadeln auf dem Waldboden,
andere Lippen die Augen küssen
die für dich weinen.

Und meine Seele, die dich sucht
so natürlich
wie abends ein Vogel über das Meer fliegt,
verliert die Richtung
und kommt
nie wieder an Land.


Vor Tag

Der Kuß aus Rosenblättern,
immer neue weiche kleine
Blätter der sich öffnenden Blüte.

Nicht jenes Wenig von Raum
für die Spanne des Wunschs
zwischen Nehmen und Geben.

Du hobst die Decke von mir
so behutsam
wie man ein Kind nicht weckt
oder als wär ich
so zerbrechlich
wie ich bin.

Ich wurde nicht wirklicher
als ein Gedicht
oder ein Traum
oder die Wolke
unter der Wolke.

Und doch, als du fort warst,
der zärtliche Zweifel:
Ist es tröstlich
für einen Mann
mit einer Wolke zu schlafen?


Mein Geschlecht zittert

Mein Geschlecht zittert
wie ein Vögelchen
unter dem
Griff deines Blicks.

Deine Hände eine zärtliche Brise
auf meinem Leib.
Alle meine Wachen
fliehn.

Du öffnest die letzte Tür.
Ich bin so erschrocken
vor Glück
daß aller Schlaf
dünn wird
wie ein zerschlissenes Tuch.

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