... Ein Gedankenwolkenbruch aus dem frühen April.
Wir folgten unbekannten Geräuschen aus dem Zentrum der Stadt. Neben dem Brunnen da spielte ein alter Mann mit den langen grauen Haaren auf einem Zupfinstrument,
dessen Namen ich nicht kenne. Es war anders und klang sehr anziehend,
man hatte fast das Gefühl, dass gleich etwas passieren würde. Ich fühlte mich ein wenig verloren und drehte mich suchend um. Es ereignete sich aber nichts. Wir spazierten und sprachen, gingen zu einem
alten kleinen Friedhof, wo Clara und Robert Schumann ihre Stätte bekamen,
setzten uns auf eine Bank dort im Schatten und erzählten uns, was jeder in den letzten
Jahren durchlebt hatte. Das letzte Mal habe ich meine Begleiterin vor drei Jahren gesehen,
danach geschah Einiges. Unweit von uns wurde ein Film gedreht, es gab Besucher mit den Blumen
und wir sprachen ausgesprochen leise, flüsterten. Es war seltsam, andererseits das Menschlichste, was man nur tun könnte, das Beruhigendste wegen der Stille dort. Sie meinte: "Ach, sie hätten doch nichts
dagegen, von den Problemen der Lebenden zu erfahren. Sie hatten sie
früher bestimmt auch…" Das Wichtigste, was ich an diesem Abend für mich wieder verstand, war, dass unser Leben viel zu kurz sei, sich in den Nebensächlichkeiten zu verlieren, und wir Menschen, die uns wichtig sind, erfreuen sollten, sie glücklich machen. Bevor es zu spät wird.
Auf dem Rückweg durch die Rheinbrücke in Bonn entdeckte ich unerwartet folgende Zeilen auf Russisch, gekritzelt mit einem schwarzen Marker... Zunächst ging ich weiter, es beschäftigte mich aber und ich kehrte nach 20 Schritten wieder zurück, stand da und konnte nicht fort... Es sind Worte des großen russischen Dichters Sergej Jessenin gewesen.
Übersetzt bedeutet es:
Den Groben wird Freude gegeben,
Den Zärtlichen Traurigkeit.
Mir selbst ist nichts vonnöten,
Niemand tut mir leid...
Daneben stand etwas in einer Sprache, die mich an Hebräisch erinnerte.
Ane Brun "To let myself go" (Kaiben Remix)
Und dann fing der Frühling an. Die Fenster wurden nur deswegen gewaschen, um
frische Blätter sehen zu können, jeden Tag, in einem Mix aus weißen bis
weißgrauen Wolken, welche aus einem kaputten Zuckerwattegerät auf
die blaue Wiese geschleudert wurden. Darin besteht ihre
unordentliche Schönheit. Wenn man sich kurz entspannt, werden oben
Tiere sichtbar, heute war es eine Katze, eine weiße, wattige Katze mit den
Ohren. Nein, ich bin nicht verrückt und nichts Romantisches wäre das gewesen, bloß Spiele
für ermüdete Augen sind es immer, wenn ich den Himmel sehe. Abends
riecht ein Baum in der Nähe besonders, ich nehme an, es ist eine Linde,
dunkelsüß, schwer, aber nicht unangenehm. Diese Gerüche werden mit
in die Wohnung genommen, nicht auf der Kleidung, eher im Kopf, auch wenn
sie längst vorbei sind. Ist es nicht so, dass Gerüche einen Teil unseres
Lebens ausmachen? Ohne sie wäre man irgendwie unvollständig.
* * *
Dunkles aus meinen Augen will entwischen,
Es will weinen und sich vor dir verkriechen.
Ich verliere mein Licht, bald erblinde, Liebster,
Deine Schönheit kann nicht mehr verwirren.
Dunkles aus meinem Herzen wird nicht länger lärmen,
Es wird mein finsteres Herz an keins kleben -
Mit den Tränen eines einsamen Tieres,
Das beim Träumen verraten wurde,
Fremd den Menschen.
Mit den Stücken verstümmelter Flügel
Steht es hier und erwartet dich,
Sich belügend.
01. April 2014
* * *
Meine Treue trägt seltsame Stoffe,
Meine Treue führt dich zum Altar.
Nie war deine an meine gebunden,
Deine Treue gehört mir nie an.
Sie ruft laut zu mir: Sei doch frei.
01. April 2014
* * *
Dich lieben ist das Schwierigste, was ich zu tun habe.
Dich lieben, ohne dich zu berühren.
Dich wollen ist das Schmerzhafteste, was ich je erlebt habe.
Dich wollen, ohne dich zu fühlen.
01. April 2014
Okean Elzy "Umarme mich"
(Engl. Übersetzung aus dem Ukrainischen ist im Video)
Bilder sind von Ann.