29. Juli 2013

Sunburned Eve - I

Bild: Sunburned Eve I - ein Hauch Ann, 27.07.13


Was für schöne, bläulich-graue, von Leichtigkeit, wie man sie nur in der Kindheit kennt, aufgeplusterte Watte sehe ich gerade vor mir. Grüne Köpfe berühren sie und wilde Vögel fliegen Löcher durch, welche sich wieder zu schließen scheinen. Der Himmel am Abend wird von den Bäumen durchstochen wie eine Bluse mit einer weißen Stickerei. Ich ziehe sie an und gehe auf den Balkon träumen. Ein Stückchen Boheme am Horizont berühren. Ich ziehe den Himmel an.

Und vermisse dich.
  
Die einsamen Abende tun nicht immer gut. Wer hat gesagt, dass man sich selbst keine Blumen schenken könnte? Je öfter, desto fröhlicher tut es dem Zimmer, der Wohnung. Derjenigen, die sie belebt. 

von Cynthia Cruz

In the rooms of a rundown palace
You said, Ruined. You said, Princess.

You said nothing to me
For three long weeks.

The color of that room
Is eel-black.

When I was a girl and still
German, I stood alone

At the end of the sea.
You may have loved me then

I sent a message through the cages
Of a great whale's teeth.

For three weeks, I did not sleep.
I set jars of sweet milk and baskets 

Of bright berries and red 
Marmalade outside your door

In the dream
Where you come to me

I kiss your mouth
Tasting the secret 

Letters of your history.
I swear

Somewhere in Siberia
A godly ocean of bison

Still roam free.
You, kneeling before me,

In this,
The last and final room.



Jene Wände, in welchen ich den Sommer und alles seit meiner Rückkehr nach Hause verbringen darf, sind nicht mehr zu erkennen. Den Abschied nahm alles aus der Vergangenheit. Abgekratzt wurde es, zerrissen, zerlegt, und ich schmückte meine Bleibe mit Lachen, mit Neuem, dem warmen Licht einer Stehlampe, die ich selbst basteln durfte, mit neuen weißen Regalen zum Befüllen mit den Schallplatten, dem dunkel-gemütlichen Sofa und einem schwungvollen Sessel, der die Ferien mit einem Buch genießen lässt, vielleicht von Sandor Marai. Vielleicht etwas Aktuelleres über Navalnyj, oder ein wunderbarer Artikel  "Pride and Poetry" aus "New Republic" (wunderbarste Zeitschrift) mit einer Rezension über das Buch "Joseph Brodsky: A Literary Life" wartet heute Nacht auf mich. Ein kleiner Ausschnitt über den interkulturellen Gruppensex:
"... but I cannot resist an anekdot that she cites to describe the nature of the Polish connection to Russians who were cut off behind the Iron Curtain. “Question: What’s the difference between Swedes, Poles, and Russians with regard to group sex? Answer: Group sex in Sweden is when a Swede has sex with several people at once. In Poland it’s when a Pole tells his friends how he saw a group of people having sex in Sweden. In Russia it’s when a Russian describes listening to a Pole talking about the group sex he saw in Sweden.” weiter lesen
Diese Zeit meines Lebens werde ich nie vergessen, da die Uhr überdimensional ist... Worte hängen an den Wänden. Das Ende der Veränderungen ist noch gar nicht absehbar. Hoffnungsvoll, natürlich, zart, manchmal grob, poetisch, auch wenn sich eine melancholische Note hin und wieder erspüren lässt. Derer schäme ich mich nicht. Wie denn sonst kann man ein wenig Paris, Moskau, Japan, sogar Jerusalem und Berlin auf einem einzigen Stück Erde auf einmal verbinden. In meinem Kopf und in diesen Räumen. Was mir dabei half, war natürlich die Liebe zu den Filmen und der schönen Literatur. 











Diesen Sommer fand ich Gefallen an bohemian Kleidung. Solche Unbeschwertheit gestickter Muster und weißer Kleider verzauberte mich. Mein weiteres Glück versuchte ich im Lebensmittelladen und holte mir frische Kräuter im Topf. Jetzt in Zeiten der abwechselnden Hitze und des Strömens riecht die Küche nach Basilikum, frischen Dillzweigen und unmöglich verschiedenem Gemüse. Einfach unabdingbar. Es riecht nach Sommer. Oder nach Erdbeeren...

Ich wusste gar nicht, dass die kleine Schwester von Charlotte Gainsbourg auch singt. Diese Musik erinnert mich irgendwie an Serge Gainsbourg. So fühlt sich aber auch Jane Birkin wunderbar weiter.

Lou Doillon "ICU"
...
dreaming and wishing
to somehow run into you

And of course I wonder
does it happen to you ?
Does my ghost ever come looking for you ?

and I see you....
Der heutige Abend bereitet zudem eine schöne Abwechslung mit einem dänischen Film bzw. dem Liebesdrama "The Reconstruction" von Christoffer Boe (ZDF, 30. Juli, 00:05). Da es auch für mich ein nicht gesehenes ist, kann ich noch nichts dazu sagen, es scheint aber hervorragend zu sein.

"Reconstruction" (Filmtrailer)

"Recon­stru­cion ist ein Kopffilm. Einer, der von Anfang an darauf beharrt, ein bloßes Konstrukt zu sein. Erdacht und in Kino­bilder übersetzt, um – ja, wozu eigent­lich. Diese Frage wird man schnell in die Warte­schleife abschieben, denn schon die ersten Film­bilder haben etwas ungreifbar Magisches. Sie überreden ab dem Vorspann zu einer jazzigen Grund­stim­mung, in der man sich gehen lassen und die kryp­ti­schen Pfade der Figuren wie auf einer beschla­genen Scheibe nach­zeichnen kann, nur um sie nach kurzer Zeit schon wieder aus den Augen zu verlieren."  Filmkritik lesen

Nach vielen Jahren des Nichttragens nahm ich wieder meine silbernen Ohrstecker und schaute, wie es sein würde. Sind die Löcher zugewachsen? Eins war es in der Tat. Was tat ich? Ich übte mehr Druck, nahm den Schmerz in Kauf und stach das Loch am anderen Ende der Öffnung durch... Mit viel Parfum als Desinfektion. Wenn ich zu müde bin und sie vor dem Schlafen nicht mehr ausziehe, wache ich manchmal nachts auf und spüre den stillen Druck eines leisen Schmerzes.

Und vermisse dich. 


Fortsetzung folgt...

[Mehr oder weniger gelungene Bilder sind von Ann. Die Kamera ist nicht gut, daher verzeiht...]

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Auch dieses Blog musste restauriert werden. Aufgrund eines technischen Mangels verschwanden alle Bilder, die älter als ein Jahr waren. Ich nahm mir vor, alles wiederherzustellen, dabei las ich 6 Jahre meines Lebens am Stück. Sogar mich selbst überraschte es, dass so viel schon veröffentlicht wurde, und was vor allem... Dabei verbesserte ich paar Fehler im Geschriebenen, schaute mit Abstand auf vieles und viele. Das tat mir gut.

Manche Beiträge bekamen nachträglich einige schöne Poetenbilder nachgereicht, wie Anna Achmatova, Marina Cvetaeva, Thomas Brasch oder Sarah Kirsch.

8. Juli 2013

Ich habe eine Erdbeere geküsst

... als die Sehnsucht unerträglich wurde.


Von A zu Z 

Bin verwirrt in Sommerlüften, 
Süchtig nachts nach deinem Duft. 
Möchte neben dir verschlafen. 
Deine sein, nur dir die Flucht… 

29. Juni 2013, nachts


Ein leiser, poetischer und doch so ehrlicher, wahrhafter Artikel über das Schicksal Russlands "Поэт и царь. Две России" hat mich berührt, sehr nah berührt. Völlig überraschend waren auch meine quälenden Gedanken darin zu finden, geschweige denn der Poet Brodsky. Wer des Russischen mächtig ist, kann sich einlesen und wie ich danach noch Tage lang vielleicht unter Eindruck leben. Für alle Anderen ist die englische Übersetzung "Poets and Czars: From Pushkin to Putin: the sad tale of democracy in Russia" auf jeden Fall zu empfehlen.
Danke dir dafür...


Rubinstein spielt Chopin im großen Saal des Moskauer Konservatoriums


Gestern hat die in Kiew geborene und in Berlin lebende Katja Petrowskaja den Ingeborg-Bachmann-Preis erhalten. Außer, dass Bachmann eine der Lieblingsdichterinnen ist, die mir nah am Herzen und im Empfinden sind, hat mich die Preisträgerin unglaublich erschüttert. "Vielleicht Esther". Sie erzählt darin über ihre jüdische Urgroßmutter, die 1941 in Kiew zurückgelassen werden musste. Völlig ergreifend, anders erzählt sie das, dass ich stumm war und ihr nur zuhörte. Ich weinte. Meine eigene Familiengeschichte hat außerdem mit dieser Erzählung auch sehr viel zu tun. Denn diejenige, deren Vornamen ich trage, hat das Schicksal der anderen Juden im September 1941 in Babij Jar geteilt...
Letztes Jahr war Olga Martynova die Preisträgerin (hier darüber erzählt), dieses Jahr Petrowskaja. Ein bezauberndes Videportrait von Katja Petrowskaja und die Lesung selbst kann man sich hier anhören und anschauen.

Was ich bei der Preisträgerin noch gesehen habe. Sie ist völlig ungeschützt aufgetreten, mit dem nackten Herzen. Das bin ich doch auch. Das hat mich umso mehr wahrscheinlich zu Tränen gebracht.