Als ich vor einiger Zeit erfahren hatte, dass eine meiner Lieblingsschauspielerinnen Keira Knightley Anna Karenina spielen wird, war ich stumm verzaubert und ahnte noch nicht, welche Rolle diese Heldin für mich je verkörpern würde. Heute erschien der lang erwartete Trailer zum neuen Film. Ich bin fasziniert, mitgenommen, fasziniert.
Es war Sommer, die Weintrauben gaben einen angenehmen Schatten in unsrem Hof. Ich war 13 oder 15, als ich den Klassiker Tolstojs mit in die Nächte genommen und mir während der Ferien die Notizen zu jedem Kapitel gemacht hatte. Tagsüber dachte ich darüber nach. Das Buch hatte vergilbte Seiten und roch nach Zigaretten. Zum ersten Mal mit meinem eigenen Vornamen konfrontiert, auf solch einer Ebene, die mir bis dahin noch völlig verschlossen war. (Erst später entdeckte ich die eindringliche Poesie von Anna Achmatova.) Ich schrieb die Gedanken Tolstojs auf und war damals von der Gewalt seiner Worte erschlagen, von der Gewalt der Liebe, die in den Tod mitrissen. Ich schrieb mir alles auf, ohne Ahnung. Alles, was der Autor mit seinem Lewin vorhatte, wie die russische adlige Gesellschaft und das Leben der einfachen Bauern aussah, was Kitty erträumte, die Liebe von Wronskij zu seinem Pferd und wer Anna war. Es war eine Art Tagebuch geworden. Damals wusste ich noch nichts von den Gefühlen, damals war mir der Junge ein unbekanntes Wesen, jedoch das Korn war gesät. In der Schule klärte uns die Lehrerin fast mit einer heimlichen Freude über die Dreiecke des Romans auf - zum ersten Mal erfuhr ich, was es sei. Es klang verboten und gar nicht unglücklich. Als ich nach Deutschland kam, war komischer Weise gerade "Anna Karenina" das erste Buch in meinem Leben, das ich mir am Bahnhof in Kassel von meinem letzten Geld in deutscher Übersetzung gekauft hatte.
Es vergingen Jahre, vieles passierte um mich herum und mit mir. Ich fand zu meinem Judentum, eine Atheistin bleibend, begann bewusst all das in mich aufzunehmen, was mir Jahre zuvor entgangen war, wurde liberal, begann wieder die von mir zu Unrecht vergessene russische Literatur zu lesen. So entdeckte ich mich. Mich entdeckte das Unglück. Ich begann zu schreiben. Das Leben ging, lief, floss, aber das Unglück blieb beständig mir folgend, wie ein Schatten, auch nachts in der Dunkelheit, und fragte nicht.
Bis eines Tages jemand kam, der Tolstoj liebte. Mit seiner jungfräulichen Stille hat er mich der Leidenschaft und der Erwartung des Glücks gelehrt. Mit jedem Haar und jedem Gedanken, den man aus dem anderen aussaugen wollte. Er sagte zu mir: Du bist meine Anna Karenina.
Ab dem 25. Oktober im Kino.
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