Es klingt Johnny Cash "One".
In der Fensterscheibe konnte man die Bewegungen eines Ventilators erkennen. Sie spiegelten sich in der dunklen, undurchlässigen Luft und flimmerten. Als ob hinter dem Glas, in der Schwerelosigkeit einer schwarz-dicken Nacht ein alter Kinoprojektor mit einem im Staub gefangenen Stummfilm kämpfen würde. Krächzend und mühevoll. Spüren konnte sie auch die kalten Stöße - auf der Haut ihrer Beine wehte der leise Wind.
Den heißen Tag verbrachte sie in einer fremden Wohnung. Sie hatte den Schlüssel, um die Tür aufzusperren, verlegt. Wegzugehen hatte sie auch nicht vor und blieb den ganzen Tag allein. Auf dem Bett, im dünnen gelben Leinenkleid. Weiße beschriftete Blätter bedeckten ihre Beine. Sie tippte auf der Schreibmaschine, dachte zusammen und nach. Schrieb, zerriss das Papier und schimpfte leise auf sich, wenn kein Wort zum Tippen vorhanden war.
Am Abend wurde es kühler. Die Kleidung klebte nicht mehr an ihr und aus dem Fenster gegenüber hörte sie zunächst Bewegungen, später empores Stöhnen. Eine Frau gab sich gerade ihrer Leidenschaft hin, der Mann kam ihr genauso laut und hektisch nach. Wieso nennt man das "Kommen"? Und nicht Ankommen, Entkommen, Entgleisen, Schmelzen, Verschmelzen. Woher kommt man und wohin? Die Stimmen verschwanden. Sie war nicht eifersüchtig auf sie. Entnahm das Wichtigste... - Leben.
Wer war sie in dieser Nacht. In jener fremden Stadt. Großstadt. War sie selbst mit ihr verschmolzen, mit dem Pulsieren der steigenden Dunkelheit der Nacht? Das Zimmer roch nach Vanille. Es war ein verschütteter Cappuccino - das Pulver mit dem chemischen Beigeschmack von Vanille. Ihr Gastgeber liebte Kaffee, sogar im Kühlschrank lag ein kleines Häufchen davon auf der grünen Untertasse. Um schlechte Gerüche zu absorbieren, - schrieb er auf dem Zettel. Sie liebte seine komischen Kleinigkeiten. Den Cappuccino besorgte er jedes Mal für sie.
Die Fliesen im Badezimmer waren nass und der Geruch des frisch genommenen Bades kitzelte ihre Nase. Holzige Früchte waren das; intensiver, als ihre sanft-gewöhnten weiblichen. Sie verkleinerte seine neue Kollektion an Plastikflaschen von der Badekante und genoss die saubere Feuchtigkeit auf ihrer Haut. Sie brauchte nichts anzuziehen und fühlte sich frei. Wiedergeboren. Fremd. Nah. Ihm nah, ohne dass er da war.
Sie gaben oft einander ihre Wohnungen, um die Leben von seiner Großstadt und ihrer Provinz zu vertauschen. Sie gaben oft einander ihre Leben. Den Mann hat sie noch nie gesehen, er war ihr aber jahrelang vertraut. Sie verband eine Emotionalität, die tief hinter dem Wort "Zuneigung" stand und über dem Wort "Liebe" ihre Wurzeln fand. Sie liebte ihn auf bestimmte Weise, er sie auch. Sie lebten es auf besondere, intensive Art aus, ohne je einander berührt zu haben. Gerade das machte es aus, den Reiz daran. Während er mit seiner Verlobten lebte, sie mit ihrem Partner, waren sie in den Domizilen von einander immer allein. Solo. Ihre Leben gehörten jedem von beiden. Wenn sie sich in dieser Fremde befand, verschwanden jegliche Bindungen und Fesseln des Alltäglichen. Sie genoss es, in seiner Wohnung gleichzeitig Gast und Bewohnerin zu sein.
Mittlerweile kannte sie seine Anzüge und Hemden, seinen Geschmack in Schuhen und Unterwäsche, seinen Rasierklingen und Wasser. Sie kannte fast alle seine Bücher, suchte immer nach Neuzugängen, blätterte genüsslich und neugierig in ihnen, entdeckte Spuren seiner Zigarettenasche dazwischen.
Sie stellte sich gerne vor, was er in ihrem Haus tat. Ob er genauso ihre Kleider- und Büchervorlieben kannte. In der Nähe ihres Hauses lag ein kleiner See. Die Natur stimmte sogar ihn sehnsüchtig. Nachdenken. Seine Gedanken waren wie ein Teppich, auf dem man sich ausbreitete, wenn man alles hinter sich lassen wollte. Ein Teppich aus Gras und aus Wasser, um auf dem Rücken zu schwimmen. Er spürte das Wasser - das leise, kalt-warme Wasserschlüpfen unter sich. Man war eingetaucht, der Rest der Welt kümmerte nicht mehr. Sie konnte nicht schwimmen. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich vorstellen, wie er das tat. Es war angenehm, wenn die Wellen trugen, wenn man zum Einen mit dem Wasser wurde, ihm vertraute und sich auf dem Rücken des Wassers treiben ließ. Sein Rücken und der nasse jenige vom See. Wenn man es konnte, sich entspannt liegen lassen und mit minimalen Kraftaufwendungen zum Fisch werden. Man wurde dann leicht.
Sie nahm ein Bad, er nahm sein Bad im See. Beide waren in ihren Gedanken so nah und so fern frei. Ob er an sie auch dachte?..
Sommer-Herbst 2009
Für jemanden zum Geburtstag.
Den heißen Tag verbrachte sie in einer fremden Wohnung. Sie hatte den Schlüssel, um die Tür aufzusperren, verlegt. Wegzugehen hatte sie auch nicht vor und blieb den ganzen Tag allein. Auf dem Bett, im dünnen gelben Leinenkleid. Weiße beschriftete Blätter bedeckten ihre Beine. Sie tippte auf der Schreibmaschine, dachte zusammen und nach. Schrieb, zerriss das Papier und schimpfte leise auf sich, wenn kein Wort zum Tippen vorhanden war.
Am Abend wurde es kühler. Die Kleidung klebte nicht mehr an ihr und aus dem Fenster gegenüber hörte sie zunächst Bewegungen, später empores Stöhnen. Eine Frau gab sich gerade ihrer Leidenschaft hin, der Mann kam ihr genauso laut und hektisch nach. Wieso nennt man das "Kommen"? Und nicht Ankommen, Entkommen, Entgleisen, Schmelzen, Verschmelzen. Woher kommt man und wohin? Die Stimmen verschwanden. Sie war nicht eifersüchtig auf sie. Entnahm das Wichtigste... - Leben.
Wer war sie in dieser Nacht. In jener fremden Stadt. Großstadt. War sie selbst mit ihr verschmolzen, mit dem Pulsieren der steigenden Dunkelheit der Nacht? Das Zimmer roch nach Vanille. Es war ein verschütteter Cappuccino - das Pulver mit dem chemischen Beigeschmack von Vanille. Ihr Gastgeber liebte Kaffee, sogar im Kühlschrank lag ein kleines Häufchen davon auf der grünen Untertasse. Um schlechte Gerüche zu absorbieren, - schrieb er auf dem Zettel. Sie liebte seine komischen Kleinigkeiten. Den Cappuccino besorgte er jedes Mal für sie.
Die Fliesen im Badezimmer waren nass und der Geruch des frisch genommenen Bades kitzelte ihre Nase. Holzige Früchte waren das; intensiver, als ihre sanft-gewöhnten weiblichen. Sie verkleinerte seine neue Kollektion an Plastikflaschen von der Badekante und genoss die saubere Feuchtigkeit auf ihrer Haut. Sie brauchte nichts anzuziehen und fühlte sich frei. Wiedergeboren. Fremd. Nah. Ihm nah, ohne dass er da war.
Sie gaben oft einander ihre Wohnungen, um die Leben von seiner Großstadt und ihrer Provinz zu vertauschen. Sie gaben oft einander ihre Leben. Den Mann hat sie noch nie gesehen, er war ihr aber jahrelang vertraut. Sie verband eine Emotionalität, die tief hinter dem Wort "Zuneigung" stand und über dem Wort "Liebe" ihre Wurzeln fand. Sie liebte ihn auf bestimmte Weise, er sie auch. Sie lebten es auf besondere, intensive Art aus, ohne je einander berührt zu haben. Gerade das machte es aus, den Reiz daran. Während er mit seiner Verlobten lebte, sie mit ihrem Partner, waren sie in den Domizilen von einander immer allein. Solo. Ihre Leben gehörten jedem von beiden. Wenn sie sich in dieser Fremde befand, verschwanden jegliche Bindungen und Fesseln des Alltäglichen. Sie genoss es, in seiner Wohnung gleichzeitig Gast und Bewohnerin zu sein.
Mittlerweile kannte sie seine Anzüge und Hemden, seinen Geschmack in Schuhen und Unterwäsche, seinen Rasierklingen und Wasser. Sie kannte fast alle seine Bücher, suchte immer nach Neuzugängen, blätterte genüsslich und neugierig in ihnen, entdeckte Spuren seiner Zigarettenasche dazwischen.
Sie stellte sich gerne vor, was er in ihrem Haus tat. Ob er genauso ihre Kleider- und Büchervorlieben kannte. In der Nähe ihres Hauses lag ein kleiner See. Die Natur stimmte sogar ihn sehnsüchtig. Nachdenken. Seine Gedanken waren wie ein Teppich, auf dem man sich ausbreitete, wenn man alles hinter sich lassen wollte. Ein Teppich aus Gras und aus Wasser, um auf dem Rücken zu schwimmen. Er spürte das Wasser - das leise, kalt-warme Wasserschlüpfen unter sich. Man war eingetaucht, der Rest der Welt kümmerte nicht mehr. Sie konnte nicht schwimmen. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich vorstellen, wie er das tat. Es war angenehm, wenn die Wellen trugen, wenn man zum Einen mit dem Wasser wurde, ihm vertraute und sich auf dem Rücken des Wassers treiben ließ. Sein Rücken und der nasse jenige vom See. Wenn man es konnte, sich entspannt liegen lassen und mit minimalen Kraftaufwendungen zum Fisch werden. Man wurde dann leicht.
Sie nahm ein Bad, er nahm sein Bad im See. Beide waren in ihren Gedanken so nah und so fern frei. Ob er an sie auch dachte?..
Sommer-Herbst 2009
Für jemanden zum Geburtstag.
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