30. Dezember 2012

Ein Tag in...

Wie fühlt sich Rodins Eva an und was ging in Salvador Dali vor, als er seinen Traum erschuf, verursacht durch den Flug einer Biene um einen Granatapfel, eine Sekunde vor dem Aufwachen... Frankfurt Ende Dezember fühlt sich wie ein verschlafener Frühling an, der vergessen hatte, seinen Wecker auf Winterzeit umzustellen. Die Meteorologen sind gescheitert, das Wasser zum Jahresende einzufrieren, jeder Versuch ist zwecklos und wird ihnen kläglich nicht gelingen. 

Beeindruckendes Frankfurt

Er hat ein wenig Wärme aus Tel Aviv - ein streng zu verzollendes Gemütsgut illegal eingeführt - und sie hat sie in sich vom Spätherbst aufbewahrt. Vom Bahnhof gelangt man zu Fuß über die Brücke zum Museumsufer. Der Main ist hoch und seine braune Brühe ohne Fettflecken bedeckt bereits manch Treppenstufen. Auf einmal wächst vor Augen das Bankenviertel auf der Gegenseite empor; auch wenn es nie die New Yorker Skyline übertreffen würde, gibt es ein gutes Gefühl des Wohlstandes des ganzen Landes wieder, fernab der Provinz, welcher sie den Rücken kehrt. Was tun die Menschen? Wie Ameisen auf der Promenade hin und her eilend, nutzen sie die erste Frühlingsluft zum Ausgehen aus. Dezember. Ihr kurzes Kleid ist unter der Jacke verschwunden und die Stiefel beschreiten fröhlich und ein wenig tanzend die Luft, den Stein, die Stadt, die noch so viele Geheimnisse birgt.

Das Städel Museum öffnete seine Türen für die Erkenntnisse der modernen Kunst wie auch schwarzer, sehnsüchtiger und völlig irrationaler Romantik.

Ein schöner Spaziergang durch die Epochen der Kunst erwartete zunächst in den wiedereröffneten Räumen der Sammlung "Kunst der Moderne". Die Liebhaber des Expressiven, Impressiven, Surrealen und völlig Futuristischen finden sich hier selbst in den beeindruckenden Werken wieder. Es ist sinnlos, all die Namen aufzuzählen, denn es sind die Künstler, ohne die man nicht leben kann.



Dabei stolperte sie unvorsichtig über Auguste Rodin. Seine Eva in Menschengröße baute sich hinter ihrem Rücken auf, ohne dass sie die Figur vorher bemerkte. Der Wächter schaute sie bösartig an, doch die Skulptur blieb stehen... Sie stellte sich vor, wie der große Künstler sein Modell zunächst ängstlich und zart berührte, Maße von jedem ihrem Körperteil mit den Händen neugierig und fordernd ertastete, wie lebendig sie unter seinen Fingern atmete, lebte, sich wendete, wenn seine Berührungen intensiver wurden... bis sie in Bronze den Rücken der Besucherin streifte...
"Voll des Staunens beschrieb Rilke später diese Skulptur: „Und die Eva, wie weit in die Arme hineingebogen, deren nach auswärts gewendete Hände alles abwehren möchten (auch den eigenen – sich verwandelnden Leib).“ Die Oberfläche der lebensgroßen Figur ist unruhig und gibt starke Lichtreflexe in den Raum hinein ab. Dies ist nicht nur dem unvollendeten Zustand der Arbeit geschuldet – die Schwangerschaft des Modells ließ keine Vollendung zu –, sondern auch dem ausdrücklichen Bestreben des Künstlers, das Licht in impressionistischer Weise über den Körper tanzen zu lassen." mehr
Halbdunkler Raum, abgerundet, voller schwarzer Spiegel, inmitten die Sitzbänke. Halbschatten - Halblicht. So gelangt man in die dunkle Begierde, in die Nacktheit der "Schwarzen Romantik".



"Vom 26. September 2012 bis 20. Januar 2013 zeigt das Städel Museum die große Sonderausstellung „Schwarze Romantik. Von Goya bis Max Ernst“. Erstmals widmet sich damit eine Ausstellung in Deutschland der dunklen Seite der Romantik und ihrer Fortführung im Symbolismus und Surrealismus. 
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Mit einem sowohl geografisch als auch zeitlich übergreifenden Ansatz, der Bezüge zwischen verschiedenen romantischen Zentren darlegt und komplexe ikonografische Entwicklungen vor Augen führt, will die Ausstellung das Interesse für die düsteren Aspekte der Romantik wecken und damit zu einem erweiterten Verständnis dieser Bewegung anregen. Viele der präsentierten künstlerischen Entwicklungen und Positionen resultieren aus einem erschütterten Vertrauen in ein aufgeklärtes, fortschrittliches Denken, das sich rasch nach der – als neues Zeitalter gefeierten – Französischen Revolution zum Ende des 18. Jahrhunderts ausgebreitet hat. Blutiger Terror und Kriege brachten Leid und den Zerfall gesellschaftlicher Ordnungen in weiten Teilen Europas. So groß die anfängliche Begeisterung war, so groß war auch die anschließende Enttäuschung, als sich die düsteren Facetten der Aufklärung in all ihrer Härte offenbarten. Nun widmeten sich junge Literaten und Künstler verstärkt der Kehrseite der Vernunft. Das Schreckliche, das Wundersame und Groteske machten dem Schönen und Makellosen die Vorherrschaft streitig. Der Reiz der Beschäftigung mit Sagen und Märchen und die Faszination für das Mittelalter traten dem Ideal der Antike gegenüber. Auch die heimische Natur gewann verstärkt an Anziehungskraft und wurde zum beliebten Motiv der Künstler. Dem hellen Licht des Tages begegneten der Nebel und die dunkle, geheimnisvolle Nacht."
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Über das aggressiv erotische Bild Dalis "Traum, verursacht durch den Flug einer Biene um einen Granatapfel, eine Sekunde vor dem Aufwachen" kann man hier (unter Audioguide (Hörproben) kurz hören und hier sehen und lesen.

Von vielen Bildern inspiriert, blieb dieses besonders im Gedächtnis hängen:

Franz von Stuck "Die Sünde" (1893)

Wenn man den Tag bereits derart in die Kunst eingesogen angefangen hatte, war es wohl die logische Fortsetzung, dass die geworfene Münze zum Kinobesuch einlud. "Anna Karenina" von Joe Wright. Es war keine enttäuschende Filmvorstellung, jedoch völlig anders als gewohnt. Es war ein Stück Theater, das etwas gestellt, ein wenig künstlich auf der Kinoleinwand wirkte. 
Sie beschlich danach der Gedanke, dass nur die Russen wohl im Stande wären, dieses Buch wirklich so darstellen zu können, wie es der Authentizität der russischen Seele und ihrer grenzenlosen Leidenschaft entsprechen würde. Schön und melancholisch waren aber im Film russische Volkslieder, Natur, russische Wörter, Motive, ein Kuss im Wald und die Liebesszene.
 

Was das Buch angeht, kann man jedoch lieber auf die klassische Vorgängervariante mit Sophie Marceau als Anna verweisen. Die mitreißende Walzerszene ist hier zu sehen.

Was hat Lewin am Ende des Filmes verstanden? Dazu musste sie das Buch selbst nach vielen Jahren in die Hand nehmen und letzte Abschnitte lesen:

"-- А, ты не ушел? -- сказал вдруг голос Кити, шедшей тем же путем в гостиную. -- Что, ты ничем не расстроен? -- сказала она, внимательно вглядываясь при свете звезд в его лицо.
Но она все-таки не рассмотрела бы его лица, если б опять молния, скрывшая звезды, не осветила его. При свете молнии она рассмотрела все его лицо и, увидав, что он спокоен и радостен, улыбнулась ему. 
"Она понимает, -- думал он, -- она знает, о чем я думаю. Сказать ей или нет? Да, я скажу ей". Но в ту минуту, как он хотел начать говорить,она заговорила тоже.
-- Вот что, Костя! Сделай одолжение, -- сказала она, -- поди в угловую и посмотри, как Сергею Ивановичу все устроили. Мне неловко. Поставили ли новый умывальник? 
-- Хорошо, я пойду непременно, -- сказал Левин, вставая и целуя ее. 
"Нет, не надо говорить, -- подумал он, когда она прошла вперед его. -- Это тайна, для меня одного нужная, важная и невыразимая словами. 
Это новое чувство не изменило меня, не осчастливило, не просветило вдруг, как я мечтал, -- так же как и чувство к сыну. Никакого сюрприза тоже не было. А вера -- не вера -- я не знаю, что это такое, -- но чувство это так же незаметно вошло страданиями и твердо засело в душе. 
Так же буду сердиться на Ивана кучера, так же буду спорить, буду некстати высказывать свои мысли, так же будет стена между святая святых моей души и другими, даже женой моей, так же буду обвинять ее за свой страх и раскаиваться в этом, так же буду не понимать разумом, зачем я молюсь, и буду молиться, -- но жизнь моя теперь, вся моя жизнь, независимо от всего, что может случиться со мной, каждая минута ее -- не только не бессмысленна, как была прежде, но имеет несомненный смысл добра, который я властен вложить в нее!" Lew Tolstoj "Anna Karenina"


Bis bald, Frankfurt, du hast noch viele Geheimnisse, die es auf jeden Fall zu entdecken gilt. 

2. Dezember 2012

So fern, so nah

Keine Kälte, nur füllige Wolken am Himmel verraten den baldigen Schneefall. Sie freut sich darauf, die Spuren im Schnee unterscheiden zu lernen. Welches Tier und welcher Mensch es waren. Wozu, woher kamen sie und wohin flohen. Die Augen schließen, die Handflächen von Schneeflocken berühren lassen und ihre Wärme spüren. So nah...

Marketa Irglova & Glen Hansard "If you want me"



Danke an jemanden für das Lied...