27. Juni 2008

Nina Simone "I Put A Spell On You"


live in Montreal 1992.

Juni - Dichtung

* * *

Du sagst mir: „Liebling, ich bin hier.
Ich warte schon seit Stunden.
Wieso ist Haar denn dein so frisch?
Warst du mit Regen stürmen?

Hat dein Geliebter dich geküsst
Unter der Eiche abends,
Als Sonne euch nicht mehr umriss
Und er dich hielt in Armen?

Du riechst nach seinen Zigaretten,
Du schmeckst nach seinem Durst.
Geh in das Bad, wasch ihn dir weg -
Den Schmerz aus deiner Brust.“


* * *

Meine Schultern wirst du kosen,
Meine Träume und das Haar.
Wirst mich halten und entkleiden,
Wirst mein Schweigen brechen sanft.

Werden meine Lippen flammen -
Das gelang dir immer sacht,
Wirst du dich Ohren meinen nähern,
Flüstern etwas Leises zart.

Für zwei Male, die berühren
Und enthüllen du mich darfst,
Komm in Stille zu mir, Liebster.
Denn danach verschwindet Traum
Und allein bist du erwacht.

11.Juni 2008


Worte

Worte stapeln sich im Kopfe -
Worte mit dem Sinn,
Wie mein Bein und wie die Arme
In dem Flug zu halten sind.

Flug vom Berg oder von Dächern
Deiner Nichtzugänglichkeit.
Kälte brach zu uns hinein,
Zischend in Vergänglichkeit.



* * *

Wanderten wir durch die Felder –
Felder der Vergangenheit,
So erschienen jene Fehler
Als Gespenster jaulend.

Baten sie uns um Vergebung,
Krochen zu uns her.
Lass sie leben, sie verschwinden,
Wenn die Liebe brennt.

Ihre Süße wirst du sammeln,
Wenn dein Haupt graut.
Frische, Jugend bringt sie dir,
Wenn der Tod sich naht...

17.Juni 2008

... und andere Zuneigungen

Joseph Brodsky "Liebesgedichte und andere Zuneigungen" (bei Amazon)

""Es gibt keine Liebe ohne Erinnerung, keine Erinnerung ohne Kultur, keine Kultur ohne Liebe. Deshalb ist jedes Gedicht ein Faktum der Kultur wie ein Akt der Liebe und ein Blitzlicht der Erinnerung, und ich würde anfügen - des Glaubens." Joseph Brodsky war ein Dichter vielfältiger Masken und metamorphosen, ein russischer Odysseus und vom Tod besessener Ironiker, ein Liebeselegiker, Exilant und Erforscher der Zeit, ein eingefleischter Skeptiker und energischer Verteidiger von Wert und Würde der Poesie. Lyrik sei die einzig verfügbare Versicherung gegen die Vulgarität des menschlichen Herzens."Quelle

wikipedia: Joseph Brodsky

Tschaikowski

Wenn sich meine Nachbarn unerträglich streiten, bleibt mir nichts anderes übrig, als das 1. Klavierkonzert von Tschaikowski lautstark einzuschalten, so dass das ganze Haus wahrscheinlich in den Genuss der Musik kommt. Ob gewollt oder ungewollt... Wenn ich dann wieder ausschalte, hört man von den Nachbarn keinen Laut mehr...

Hier ist eine wunderbare Aufnahme von Emil Gilels mit dem Orchestre National de France, Dirigent: André Cluytens.
1. Allegro non troppo e molto maestoso


Über Emil Gilels: http://www.emilgilels.com/index1.php

25. Juni 2008

Sexualität und ...

Zwei interessante Artikel:

Interview mit Isabella Rossellini

"Wie arm ist unsere Sexualität!"

"Isabella Rossellini über das Liebesleben der Insekten, warum sie darüber eine Filmreihe gedreht hat und was die Tiere beim Sex den Menschen so alles voraus haben.
(...)

Wo sehen Sie den Hauptunterschied zwischen tierischem und menschlichem Sex?

Zunächst einmal geht's bei Tieren natürlich in erster Linie um die Reproduktion, während es bei uns Menschen doch hauptsächlich um die Lust geht. Und trotzdem hat die Tierwelt eine sehr viel größere Bandbreite an Möglichkeiten, Sex zu haben. Wie arm ist im Vergleich unsere Sexualität! Das Verrückteste bei uns Menschen ist, dass wir für keine anderen Organe so viele Gesetze haben wie für den Penis und die Vagina. Die Kirche, der Staat, das Gesundheitswesen - alle reden mit, wenn es um unsere Geschlechtsorgane geht. Und alle versuchen nur eines zu definieren: Was ist normal? Wenn man im Gegensatz zu derartigen Diskursen, die wir Menschen führen, einen Blick auf die Natur wirft, so stellt man dort eine enorme und durchaus natürliche Vielfalt fest. Bei dieser Vielfalt an Arten und auch an Sexualpraktiken kann man sich schon ganz schön über die menschliche Engstirnigkeit wundern. Man beginnt jene Sicherheiten und Normen zu hinterfragen, die wir selbst aufgestellt haben.

Wir können von Spinnen oder Garnelen eine Lektion in Offenheit lernen? (...)" weiter lesen


ZEIT DES ERWACHENS

"Die Haut erzählt so vieles"

Von Claudia Voigt

"Die Fotografin Bettina Rheims über Schönheit, Narben und Schlaflosigkeit." lesen

Erinnerungen

Vor einer Woche schaute ich mir „Solaris“ mit George Clooney (Chris) und Natascha McElhone (Harey, im Film: Rheya) an und blieb sprachlos… Der Roman des vor zwei Jahren verstorbenen Schriftstellers Stanislav Lem hat mich bereits vor langer Zeit in seinen Bann genommen und zählt zu meinen Lieblingsbüchern. Diese Szenen vom Anfang des Films sind die schönsten. Auch wenn sich der Film hauptsächlich nur auf das Paar konzentriert, verdirbt es mir nicht den Genuss, denn ich kenne das Buch. Ich erinnere mich noch an die Kritiken, als dieses Meisterstück vor 6 Jahren in die Kinos kam: Für Amerika war es zu europäisch und für die Europäer zu amerikanisch. Ein wundervoller Film! (Das Video ist leider nur auf Spanisch, aber es stört nicht, es zu verstehen, auch ohne Worte...Geniesst es)


Vielleicht sollte ich mir aber vor allem auch das Original von Andrei Tarkovski aus dem Jahre 1972 anschauen. Chris trug in diesem Videoausschnitt Worte von Dylan Thomas vor. In diesem Jahr erscheint gerade der Film über den Dichter und seine Liebe zu zwei Frauen – „On the Edge of Love“ mit Keira Knightley, Sienna Miller und Matthew Rhys.


Dylan Thomas „Love in the Asylum"

A stranger has come
To share my room in the house not right in the head,
A girl mad as birds

Bolting the night of the door with her arm her plume.
Strait in the mazed bed
She deludes the heaven-proof house with entering clouds

Yet she deludes with walking the nightmarish room,
At large as the dead,
Or rides the imagined oceans of the male wards.

She has come possessed
Who admits the delusive light through the bouncing wall,
Possessed by the skies

She sleeps in the narrow trough yet she walks the dust
Yet raves at her will
On the madhouse boards worn thin by my walking tears.

And taken by light in her arms at long and dear last
I may without fail
Suffer the first vision that set fire to the stars.

(Aus „The Map of Love“, 1939)

Zur Heimat erkor ich mir die Liebe

Mascha Kaleko (1912, Schidlow/Polen - 1975, Zürich)

Die Lyrikerin Mascha Kaléko. Zur Heimat erkor sie sich die Liebe
(Von Marcel Reich-Ranicki)

"(...)Ihr Werk, fast ausschließlich Gedichte, macht es den Kritikern, die sie ernst nehmen, schwer und den Lesern immer leicht. Sicher ist: Sie dichtete ihr Leben, und sie lebte ihre Dichtung. Das mag für viele Lyriker gelten, für Frauen zumal. Doch fällt in den Versen der Kaléko ein leiser Widerspruch auf, der sich permanent, wenn auch unaufdringlich bemerkbar macht und dieser Poesie den Reiz verleiht: Ihre Heiterkeit ist munter, aber ernst und elegisch, ihre Schwermut in der Regel ganz leicht, sogar keck und scherzhaft. Wie denn, scherzhafte Melancholie? Ja, denn sie sieht die Welt (die Formulierung stammt von Heine) mit einer lachenden Träne im Auge. Thomas Mann spricht von der „aufgeräumten Melancholie“ der Kaléko, von ihrer „wohllautend mokanten Stimme“.(...)"weiter lesen


Zur Heimat erkor ich mir die Liebe

Ausgesetzt
in einer Barke von Nacht
trieb ich
und trieb an ein Ufer.

An Wolken lehnte ich gegen den Regen.
An Sandhügel gegen den wütenden Wind.
Auf nichts war Verlaß.
Nur auf Wunder.

Ich aß die grünenden Früchte der Sehnsucht,
trank von dem Wasser, das dürsten macht.
Ein Fremdling, stumm vor unerschlossenen Zonen,
fror ich mich durch die finsteren Jahre.

Zur Heimat erkor ich mir die Liebe.


Blatt im Wind

Lass mich das Pochen deines Herzens spüren,
dass ich nicht höre, wie das meine schlägt.
Tu vor mir auf all die geheimen Türen,
da sich ein Riegel vor die meinen legt.

Ich kann es, Liebster, nicht im Wort bekennen,
und meine Tränen bleiben ungeweint,
die Macht, die uns von Anbeginn vereint,
wird uns am letzten aller Tage trennen.

All meinen Schmerz ertränke ich in Küssen.
All mein Geheimnis trag ich wie ein Kind.
Ich bin ein Blatt, zu früh vom Baum gerissen.

Ob alle Liebenden so einsam sind ?



Quasi ein Mahnbrief

Verehrter Herr ! Jetzt wird`s zu monoton.
Am letzten Sonntag waren es zwei Wochen:
Kein Brief, kein Gruß, kein Wort am Telefon...
- Was habh ich denn so Furchtbares verbrochen ?

Wir sprachen, wie das so im Leben sei,
und ob es mit uns beiden wohl so bliebe.
Ich sagte nur: ich glaube nicht an Liebe.
...Und das im Mai.

Da zupften Sie an Ihrem Schlips und Kragen.
(Das tun Sie immer, wenn Sie etwas erregt.)
Dann wollten Sie zuerst noch etwas sagen.
Das haben Sie sich rasch noch überlegt.

Und mittendrin, beim schönsten Wortgefecht,
da ließen Sie mich ohne Antwort stehen
und sich bis heute überhaupt nicht sehen.
...Und das mit Recht.

Nachschrift:

Jetzt warte ich auf Dich seit vierzehn Tagen.
Und vierundzwanzig Stunden hat der Tag.
- Du weißt doch ganz genau, daß ich Dich mag.
Was mußt Du nur so dumme Dinge fragen.

Es ist so schön, zu wissen daß Du da bist.
Kann ich denn sagen, wie spät es wird.
Weißt Du, ob sich Dein Herz nicht doch verirrt ?
- Noch ist es schön zu fühlen, daß Du nah bist.

...Soviel nur noch zum Thema "Lebensglück".
Willst du verstehn, ist alles wie gewesen.
-Sonst aber -, selbst, wenn Du ihn nicht gelesen,
erbitte ich den Hamsun bald zurück.


Zärtliche Epistel

Der blaue Himmel ist nur halb so blau,
weil du nicht da bist, Liebster.
Deine Nähe macht, dass ich alles Schöne schöner sehe.
Ich bin doch eine unmoderne Frau !

Ich liebe dich trotz Ehering und Sorgen.
Und Heimat ist nur, wo mit dir ich bin.
Fühl ich mich doch noch heimlich Königin,
auch wenn uns Wirt und Bäcker nicht mehr borgen.

Musik ist, wo du bist. Dein Stirb und Werde.
Ja, selbst der Kummer trägt ein schönes Kleid.
Viel lieber noch ist mir der Träumer Leid
als sattes Glück der wohlversorgten Herde.

Der Wald hier, mein Lieb, ist ein richtiger Wald !
Und die Bäume....Die Bäume, sie rauschen.
Und "le lac" ist ein See. Ein richtiger See.
Und die steigenden Hügel - kein Traum.
Oh, wie gut ist`s dem Schweigen zu lauschen
und dem Vogelgezwitscher im Baum.

Du wirst bestimmt zum Wochenende kommen ?
Gesegnet sei das gute Telefon !
Es gibt hier Rehe. - (Unser kleiner Sohn
und meine Sehnsucht haben zugenommen.)

Kein Wiedersehen ohne Abschiedsschmerz,
das gilt noch immer. Aber, liebes Herz,
man muss sich nicht so schrecklich weit entfernen,
um diese alte Weisheit neu zu lernen....

Quelle: http://www.septembernebel.de/


13. Juni 2008

Vivaldi "Sommer"

Vivaldi, "Vier Jahreszeiten. Sommer"


Jean Michel Jarre & Patrick Rondat

Der Auszug aus der klassischen Aufführung ist hier zu hören.

Jedem der Konzerte aus "Le Quattro Stagioni" waren erläuternde Sonette vorangestellt, vermutlich von Antonio Vivaldi selbst verfasst.

L'Estate - Der Sommer

Unter der harten Zeit sengender Sonne
leiden Mensch und Herde, und es glüht die Pinie.
Kuckuck erhebt seine Stimme, und bald singen ihr
Einverständnis Taube und Distelfink.

Der sanfte Zephir weht, doch plötzlich
fängt Boreas Streit an mit seinem Nachbarn.
Und der Hirte klagt, denn er bangt
vor dem wilden Sturm und um sein eigenes Schicksal.

Den müden Gliedern nimmt ihre Ruhe:
Furcht vor Blitzen und wilden Donnern
und der Fliegen und Mücken wildes Schwirren.

Ach, wie wahr sind seine Befürchtungen,
es donnert und blitzt der Himmel, und Hagel
bricht das Haupt der Ähren und des hohen Getreides.

Quelle

Einstein privat

Interessante Überlegungen Albert Einsteins zur Religion:

"Bucky: Also halten Sie sich für einen religiösen Menschen?

Einstein: Ich glaube an das Rätselhafte, und, offen gesagt, ich begegne diesem Rätselhaften manchmal mit großer Furcht. Mit anderen Worten, ich glaube, es gibt im Universum viele Dinge, die wir nicht wahrnehmen oder durchschauen können, und wir erleben einige der schönsten Dinge im Leben nur in einer sehr primitiven Form. Nur in bezug auf diese Rätsel halte ich mich für einen religiösen Menschen. Ich spüre aber diese Dinge zutiefst. Was ich nicht verstehen kann, ist, wie es über­haupt einen Gott geben kann, der seine Subjekte belohnen oder (160) bestrafen will und der uns dazu bringen kann, unseren eigenen Willen in unserem täglichen Leben zu entwickeln.

Bucky: Demnach glauben Sie nicht an Gott?

Einstein: Ah, das ist, was ich meine mit: Religion und Wissen­schaft gehen Hand in Hand. Jedes hat seinen Platz, muß aber jeweils seiner eigenen Sphäre zugeschrieben werden. Nehmen wir an, wir hätten es mit einem theoretischen Physiker oder Wissenschaftler zu tun, der sehr vertraut ist mit den verschiede­nen Gesetzen des Universums, beispielsweise wie die Planeten die Sonne umkreisen und die Satelliten ihre jeweiligen Plane­ten. Nun, dieser Mann, der diese verschiedenen Gesetze stu­diert hat und sie versteht - wie sollte der an einen Gott glauben können, der in der Lage wäre, die Bahnen dieser großen krei­senden Massen zu stören? Nein, die natürlichen Gesetze der Wissenschaft sind nicht nur theoretisch ausgearbeitet, sondern auch in der Praxis bewiesen worden. Ich kann also nicht an die­se Vorstellung von einem menschenähnlichen Gott glauben, der die Macht besitzt, die Naturgesetze zu durchbrechen. Wie ich schon sagte, die schönste und tiefste religiöse Empfindung, die wir erleben können, ist das Gefühl des Mystischen.

Und diese Mystik ist die Stärke aller wahren Wissenschaft.
Wenn es überhaupt einen solchen Begriff >Gott<
gibt, dann ist es ein sub­tiler Geist, nicht das Abbild eines Menschen, das so viele in ihrem Verstand fixiert haben. Im wesentlichen besteht meine Religion aus einer demütigen Bewunderung für diesen uner­meßlichen erhabenen Geist, der sich in den geringen Einzelhei­ten offenbart, die wahrzunehmen wir mit unserem hinfälligen und schwachen Verstand in der Lage sind.

Bucky: Glauben Sie vielleicht, die meisten Menschen brauch­ten Religion, um sozusagen unter Kontrolle zu bleiben?

Einstein: Nein, ganz klar nein. Ich glaube nicht, daß ein Mensch in seinen täglichen Aktionen beschränkt sein sollte durch die Furcht vor Strafe nach seinem Tode oder daß er Dinge tun sollte, nur weil er dann belohnt würde, wenn er gestorben ist. Die richtige Leitschnur im Leben des Menschen sollte der (161) Rang sein, den er der Ethik beimißt, und der Grad der Rück­sichtnahme, die er anderen gegenüber walten läßt. In dieser Hinsicht spielt Erziehung eine große Rolle. Religion sollte nichts mit Angst vor dem Leben oder Angst vor dem Tode zu tun haben, sondern sollte vielmehr ein Streben nach rationaler Erkenntnis sein.
(...)

Bucky: Finden Sie aber nicht einen Widerspruch zwischen Ihren früheren, etwas antireligiösen Aussagen und Ihrer Bereit­schaft, öffentlich mit den Judentum identifiziert zu werden?

Einstein: Nicht unbedingt. Eigentlich ist es eine sehr schwieri­ge Sache, einen Juden zu definieren. Am besten kann ich es beschreiben, indem ich Sie auffordere, sich eine Schnecke vor­zustellen. Eine Schnecke, die Sie im Meer sehen, besteht aus dem Körper, der sich in dem Haus befindet, das sie immer mit sich herumträgt. Jetzt stellen Sie sich vor, was geschehen wür­de, wenn wir der Schnecke das Haus wegnähmen. Würden Sie nicht auch den ungeschützten Körper noch als Schnecke bezeichnen? Genauso bleibt ein Jude, der seinen Glauben auf­gibt oder sogar einen anderen annimmt, immer noch ein Jude.(...)" Weiter lesen

[Quelle: Peter A. Bucky "Der private Albert Einstein" Gespräche über Gott, die Menschen und die Bombe]

Wie es um das Privatleben des Wissenschaftlers bestellt war, erfährt man im Überblick hier.
Zu seinen Worten gehörten unter anderem:

"Die Ehe ist der erfolglose Versuch, einem Zufall etwas Dauerhaftes zu geben, sie ist eine Sklaverei in einem kulturellen Gewande"

"Wahr ist, dass mir stets die Seelenverwandtschaft mehr bedeutet hat als die leibliche"

Die Anderen


Kurt Tucholsky „Der andre Mann“
Du lernst ihn in einer Gesellschaft kennen.
Er plaudert. Er ist zu dir nett.
Er kann dir alle Tenniscracks nennen.
Er sieht gut aus. Ohne Fett.
Er tanzt ausgezeichnet. Du siehst ihn dir an ...
Dann tritt zu euch beiden dein Mann.
Und du vergleichst sie in deinem Gemüte.
Dein Mann kommt nicht gut dabei weg.
Wie er schon dasteht – du liebe Güte!
Und hinten am Hals der Speck!
Und du denkst bei dir so: »Eigentlich ...
Der da wäre ein Mann für mich!«
Ach, gnädige Frau! Hör auf einen wahren
und guten alten Papa!
Hättst du den Neuen: in ein, zwei Jahren
ständest du ebenso da!
Dann kennst du seine Nuancen beim Kosen;
dann kennst du ihn in Unterhosen;
dann wird er satt in deinem Besitze;
dann kennst du alle seine Witze.
Dann siehst du ihn in Freude und Zorn,
von oben und unten, von hinten und vorn ...
Glaub mir: wenn man uns näher kennt,
gibt sich das mit dem happy end.
Wir sind manchmal reizend, auf einer Feier ...
und den Rest des Tages ganz wie Herr Meyer.
Beurteil uns nie nach den besten Stunden.
Und hast du einen Kerl gefunden,
mit dem man einigermaßen auskommen kann:
dann bleib bei dem eigenen Mann!

(Aus: Die Weltbühne, 21.10.1930, Nr. 43, S. 630)

Sibylle Berg: Wohin springen die denn
„Lebensentwürfe gibt es, die nachzuvollziehen nur mit größter Mühe gelingen mag. Erwachsene Menschen stehen nach 20, 30 gemeinsam verbrachten Jahren voreinander, und dann sagt einer Sätze wie: Du, es ist einfach so passiert. Ich konnte mich nicht dagegen wehren. Ich habe doch auch ein Recht darauf, glücklich zu sein!
Die Sätze meinen: Ich habe mich verknallt, die Hormone rauschen noch mal so richtig fett durch meinen Körper, hurra, ich hab noch einmal eine Erektion gehabt, jippi, mir ist es gekommen, und jetzt mal tschüss. Dann packen sie ihr Köfferchen - du hörst von meinem Anwalt - und schlagen die Tür noch nicht mal zu.
Immer wenn ich so eine Geschichte höre oder lese, werde ich ganz starr vor Elend. ICH VERSTEHE DAS NICHT!
(…)
Und dann: Ich habe mich verliebt, es ist einfach so passiert. Blöder geht es nicht. Keinem passiert Verlieben einfach so. Das muss man wollen. Und zulassen. Genauso dämlich wie Frauen, die sich in verheiratete Väter mit fünf Kindern verlieben - "Ich konnte mich nicht dagegen wehren" - ist das. Madame-Bovary-Quatsch. Natürlich schlafen in uns allen genetische Programmierungen, die nach Paarung schreien. Natürlich sieht man immer wieder einen netten Menschen, einen potenziellen Partner. Vielleicht verliert man sich mithin in erregenden Gesprächen, von denen man glaubt, sie so lebendig noch nie vorher erlebt zu haben. Aber darum einen Menschen verraten, mit dem man sein halbes Leben verbracht hat? Was bleibt denn von dem noch so attraktiven, noch so anregenden neuen Gegenüber nach zehn Jahren?(…)“ Weiterlesen
Ich würde Frau Berg gerne zustimmen, aber vielleicht erst in 15-20 Jahren. Irgendetwas in mir trotzt diesen wohlüberlegten und deprimierend vernünftigen Gedanken, die mit meinen im Grunde übereinstimmen. Sie stimmen immer dann, wenn es sich gerade um eine Beziehung handelt, die funktioniert, in der man glücklich ist und auch zusammen mit dem Partner dieses Glück gestaltet. In solchem Fall sollte man dies nicht so leicht aufs Spiel setzen und nur der Hormone wegen dem prallen Busen oder den trunkenen Gesprächen unter Sternen hinterher laufen. 

Sie stimmen aber vor allem immer aus der Sicht des Verlassenen. Jedoch wenn die Beziehung nicht auf der Glückes Seite war, dann … Wenn es nicht gelang, die Gefühle aufrecht zu erhalten… Die Liebe zu einem anderen Menschen kann auch darin bestehen, ihn gehen zu lassen, wenn man sieht, dass er mit dem Anderen / der Anderen woanders glücklicher sein kann. Vielleicht ist es sogar etwas, was dem Begriff der wahren Liebe nahe kommt, dass man dem geliebten Ex-Partner den Neuanfang gönnt.

Wollen und Zulassen sind schöne Worte und Vorwürfe, bei denen alles ziemlich berechenbar zu sein scheint. Es verbleibt nichts mehr von Neugier und Neuentdeckungen, die uns doch immer prägen und den Fortschritt unseres gänzlichen Lebens ankurbeln. Das Prinzip der allgegenwärtigen Austauschbarkeit ist mir dabei allerdings genau so fremd, wie der Autorin Berg.

Ob die Reife im Gehirn reicht, um den Versuchungen zu widerstehen? Ob das reicht, um auf der ewigen Suche nach Liebe trotz der schmerzlichen Erfahrungen und Bloßlegungen, die jedes lebendige Herz mit sich schleppt, vernünftig und ruhig sitzen zu bleiben? Dies kann kein Mensch mit Zuversicht behaupten. Ja, die Hormone sind stärker. Ja, der Wunsch nach Geborgenheit, die sich in neuen, fremden Händen und Laken schöner anzufühlen scheint, auch.

Diejenigen allerdings, die nach den ewigen Wanderungen durch fremde Betten und Herzen müde und gleichgültig geworden sind, können auch diesen Beitrag von Sibylle Berg nachlesen.

2. Juni 2008

Soledad

Astor Piazzolla spielt Bandoneon in seinem unvergesslichen Musikstück "Soledad"...

(Übersetzt aus dem Spanischen bedeutet Soledad Einsamkeit oder Alleinsein)

- No comment
- Hören, Fühlen, Tanzen
- Tanz mit mir

Vorwände

* * *
Ich bín hier unter Vorwand, dich zu hören.
Ich bín hier unter Vorwand, Frau zu sein.
Du meinst, ich würde dich des Glückes lehren.
Du irrst dich, bin vor deiner Liebes-Zeit.


* * *
Du liebtest Andere und ich den Anderen.
Wir gingen beide wild und fremd.
Der Andere - er war wie du, ein Träumer.
Die Andere - sie war nicht ich und dir unfern.


Verlangen

Schweigen soll ich, stumm und tot sein.
Das verlangtest du von mir.
Es wird nie gelingen, hörst du.
Geh für immer, lass mein Herz.


* * *
Wirf mir nicht vor,
Was du verschuldest.
Sei ehrlich, standhaft zu dir selbst.
Ich war nicht Grund für deine Lügen,
Eher Vorwand.
Sei dankbar, geh zum Anfang,
Leb.


* * *
Deine Hand - sie sucht nach mir,
Meine Stimme zittert.
Nie werde dir Frau sein,
Nie in dem Gewitter.


* * *
Du liebtest mich,
Du küsstest mich
Mit deinen rauen Lippen.
Gelenke meine hieltest fest
Und wünschtest mich zu fesseln

An deine Liebe,
Deine Gunst,
An deine Urinstinkte.
Drück meine Seele nicht zu sehr,
Will nicht zu früh ersticken…

02. Juni 2008

Das schönste Kleidungsstück...

"Das schönste Kleidungsstück für eine Frau sind die Arme des Mannes, den sie liebt. Für die, die dieses Glück nicht haben, bin ich da."

Zu den Worten des gestern im Alter von 71 Jahren verstorbenen weltberühmten französischen Modeschöpfers Yves Saint Laurents zählten unter anderem auch folgende fast poetische Zitate.

"Über die Mode selbst

"In erster Linie zählt die Silhouette. Niemals überfrachten, nie zuviel Fantasie, das geht nur auf Kosten der Anmut"

"Schwarz ist meine Zuflucht"

"Man sollte sich nicht zu sehr an Moden hängen, zu sehr an sie glauben. Man sollte jede Mode mit Humor nehmen - genügend an sie glauben, um den Eindruck zu erwecken, sie zu leben, aber niemals zu sehr - und sich so die Freiheit bewahren"

"Strenge, Einfachheit, die Schönheit des Klassischen geht mir über alles - doch meine Fantasie und meine ausgeprägte Vorstellungsgabe verführen mich manchmal zum Barocken, Fremdartigen".

"Was ist Eleganz anderes als das Vergessen, was man trägt"

Über die Frauen:

"Über die Frauen fand ich zu meinem Stil. Es sind ihre Körper, die seine Kraft und Vitalität ausmachen".

"Eine Frau, die ihren Stil nicht gefunden hat, die sich nicht wohl fühlt in ihren Kleidern, nicht eins ist mit ihnen, ist eine kranke Frau."

"Ich habe mich immer gegen die Träume gewisser (Kollegen) gewehrt, die über die Mode ihr eigenes Ego befriedigen wollen. Ich wollte mich immer in den Dienst der Frauen stellen. Ihnen dienen. Ich wollte sie bei ihrer großen Befreiungsbewegung begleiten, die das vergangene Jahrhundert geprägt hat."(...)" Quelle


Das Werbeplakat mit Sophie Dahl für sein Parfum "Opium" bewegte 2000 die Gemüter der Nationen...