16. März 2007

Intensiv

2 Filme, 2 Geschichten...

"Lucia und der Sex" (FR / SP 2001)
Regie: Julio Medem

Die Musik und die Szenen in dieser ziemlich intensiven Fantasie sind sehr schön...

"Manche machten diesen Film Medems als mehr oder weniger offen verkappten Porno nieder, der sich hinter einer intellektuell verbrämten Psychostory verstecke. Tatsächlich enthält „Lucía und der Sex“ in der ersten Hälfte etliche „offene Sex-Szenen“ und eine dementsprechend deutliche Sprache. Medem selbst äußerte in einem Interview in der Zeitschrift „La gran ilusión“: „Der Sex kommt in einer Zwischenform von Porno und Werbung vor, es gibt keine schön fotografierten Körper. Nur schöne lyrische oder grausame Szenen“. Mir ging der Film jenseits solcher Bewertungen tief ins Herz.

Medem erzählt in „Lucía y el sexo“ eine Geschichte, bei der nie klar und deutlich wird, was Fiktion und was Realität ist, verstärkt durch eine starke Symbolik in Bildern und die Diskrepanz zwischen schriftstellerischer Phantasie und wirklichem Leben, die zusehends verschwimmt. Die Geschichte könnte von ihren „Fakten“ her – also der entsprechenden Verwicklung der Personen und ihres schicksalhaften Zusammentreffens – durchaus passiert sein, sie könnte in ihren wesentlichen Bestandteilen aber auch phantasiert sein – und zwar noch dazu von unterschiedlichen Figuren: Lucía und Lorenzo. Sie könnte ab einem gewissen Punkt auch allein Lucías Phantasie entsprungen sein. Medem taucht den Betrachter in diese Wirrnis zwischen Fiktion und Realität völlig ein und besonders die Schlussszene macht dies mehr als deutlich. Nichts ist sicher in Medems Film, außer dass sich die Liebenden am Schluss wiederfinden.

Diese Reise durch eine phantastische Welt führt auf eine lichtdurchflutete, sonnige Insel, einen Ort der Zuflucht, des Asyls vor einer Vergangenheit, die als Verfolger auftritt, der Wärme, der Zuneigung Elenas, die den Tod Lunas vergessen will und nicht kann, die doch zugleich Rückkehr, Wiederholung des Vergangenen für beide Frauen ist. Auch Carlos ist des Vergessens wegen hier. Er hüllt sich in Schlamm und erklärt Lucía, der Schlamm sauge alles Scheußliche auf und im Wasser könne man es dann abschütteln.

All dies ist jedoch auch Teil der Geschichte, die Lorenzo aufgeschrieben und Elena unerkannt über das Internet zugesandt hat. Inwieweit ist diese Geschichte erfunden? Was davon ist wahr?
(...)
Medem lotet in „Lucia und der Sex“ aus, inwieweit sich durch das gegenseitige „Erfinden“ beider Personen im Akt der Innigkeit der Liebe (nicht einfach nur der Sexualität) ein Kontrapunkt gegen den Text der Kultur, ein rebellischer Akt gegen die scheinbar so natürliche Wahrnehmung unserer Zeit, ein innerer „Revolutionär“ finden ließe, der Glück versprechen könnte. Immerhin."Weiter




"Secretary" (USA 2002)
Regie: Steven Shainberg


Diesen Film habe ich mir vor kurzem im Fernsehen angeschaut. Zwar bin ich keine Anhängerin des Sado-Masochismus, aber Maggie Gyllenhall ist nicht nur bezaubernd, sie nimmt zusammen mit James Spader den Zuschauer buchstäblich in ihren Bann.


"(...)"Blue Velvet" sei der Film gewesen, durch den Regisseur Steven Shainberg den Wunsch entwickelte, selber Filme zu machen. Ähnlich drastische Vorfälle erwartet man zunächst in "Secretary": Perversion, Gewalt, womöglich Folter. Alles erwartet man, nur keine Liebesgeschichte mit Happy End. Das Wunder von "Secretary" besteht darin, dass er alle Erwartungen nicht erfüllt und dabei einen ultrakonsistenten Plot und trashfreien Unterhaltungswert besitzt, der noch manchem konventionellen Krimi abgeht.
Mit viel Ironie und einem sicheren Händchen für pointierte Schauspielerkomik (geniales Duo: Gyllenhaal und Spader) bleibt Shainberg beim Thema S/M bedenkenlos und bewegt sich meilenweit abseits der ethischen Normen fürs Big Entertainment. Er lässt Lee nach dem Sex mit einem anderen Mann auf dessen Frage, ob er ihr weh getan hätte, mit einem träumerischen "Nein" klar machen, dass für sie normaler Sex pure Langeweile ist. Die besten Einfälle im Büro hat die Sekretärin, um in den Genuss einer Tracht Prügel zu kommen. Ein roter Edding wird ganz in Lees Sinn auch für den Zuschauer zum Fetisch. Mit diesem markiert der Anwalt die Tippfehler, die den Anlass zur Bestrafung ausmachen. Folglich wird das Auftauchen des Stiftes mehr als einmal geradezu filmisch beschworen - als ein fein abgestimmtes Gericht aus Kamera, Schnitt und Musik. In der virtuosen Beherrschung dieser Elemente kommt Shainberg seinem Meister David Lynch schon erstaunlich nahe. Und dennoch bleibt "Secretary" trotz einiger witziger Referenzen ein eigenständiger Film mit einer Botschaft, auf die wir in Filmen des Meisters lange warten würden: Nichts ist pervers, solange es aus Liebe geschieht." Weiter

"Originelle, mit bissigem Humor subtil inszenierte, vor allem aber in der Hauptrolle souverän gespielte Komödie, in der der Liebe das Eingeständnis der eigenen Anormalität im Wege steht." Filmdienst über "Secretary"

Keine Kommentare: